In einem Spital beginnt die Nachhaltigkeit bei der Verpflegung

Von

Samira Amos, Biovision (Bilder: Sustineri)

Die Gastronomie des Kantonsspitals Graubünden bietet neu Teigwaren aus der Region und Brötchen aus Bündner Getreide an. Diese Veränderung ist dem Nachhaltigkeitsprojekt Sustineri zu verdanken, das auf Regionalität und Bio setzt.

Das Projekt «Sustineri» der Hotellerie des Kantonsspitals Graubünden im Kurzporträt 

Nachhaltigkeit kann in einem Spital unter anderem auch über die Lebensmittel erreicht werden, ist Marcel Coray, Bereichsleiter für Hotellerie und Service im Kantonsspital Graubünden, überzeugt. Im Gegensatz zu Produkten wie Plastikhandschuhen kann das Spital seine Lebensmittel direkt aus der Region Grischun beziehen, was die lokale Wirtschaft und Kultur stärkt.

Diese Überzeugung wird von einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) bestätigt. Eine nachhaltige Verpflegung ist entscheidend, denn in einem Spital verursacht sie 17% der Treibhausgasemissionen. Darüber hinaus hat nachhaltige Ernährungsweise einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Patient:innen, was ideal in den Kontext des Spitals passt.

Dank dem Engagement von Marcel Coray bezieht das Kantonsspital Graubünden heute einen ansehnlichen Teil seiner Lebensmittel von Bio-Betrieben, viele aus der Region. Das Krankenhaus plant, diesen Anteil weiter auszubauen und auch andere Bereiche auf Nachhaltigkeit umzustellen.

Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.

Sustineri im Internet

Zusammenarbeit mit der Region

Marcel Coray setzt auf Partnerschaften mit lokalen Landwirt:innen, um regionale Lebensmittel in das Sortiment des Spitals zu integrieren. Das Spital bezieht beispielsweise Fleisch von einer lokalen Metzgerei und verwendet bewusst auch Fleischstücke, die weniger begehrt sind. Eine Bäckerei in Chur hat eigens für das Spital das Brötchen «Trais B» entwickelt, das zu 80% aus Bündner Getreide besteht. Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Biohof Tadi aus Bonaduz, von dem das Spital ein ganzes Jungrind «Nose to Tail» verarbeiten liess und mit einer Kampagne begleitete, die Rindszunge in der Spitalmensa beliebt machte.

Der Fokus von Marcel Coray liegt auf der Entwicklung haltbarer regionaler Lebensmittel. Denn viele regionale Bio-Betriebe sind zu klein, um zuverlässig Gemüse und andere frische Produkte liefern zu können. Vorverarbeitete Produkte aus der Region sind hingegen länger lagerfähig und verursachen weniger Lieferschwierigkeiten. Ein Beispiel für diese Bemühungen sind die handgefertigten Bio-Hörnli aus Bad Ragaz. Durch die Kooperation mit lokalen Partnern und die aktive Vermarktung ihrer Produkte mit Werbe- und Sensibilisierungskampagnen fördert das Spital die regionale Ernährungskultur (Prinzip 9 in der unteren Grafik) und stärkt die Verankerung in der Region (Prinzip 11 Anschlussfähigkeit).

«Sustineri» stellt sich vor. Video: Kantonsspital Graubünden.

Gesunde Bio-Küche als Alleinstellungsmerkmal

Die Umstellung auf Bio-Produkte brachte dem Spital neue Chancen und Kooperationen, wodurch es sich wirtschaftlich weiter diversifizieren konnte (Prinzip 7): Die Hotellerie des Spitals ist nun deutlich sichtbarer geworden und die Küche beliefert nun auch die Kantonspolizei und das Restaurant der Kantonsverwaltung mit Mahlzeiten.

Reduktion der Lebensmittelverschwendung

Das Spital hat weitere Schritte unternommen, um die Nachhaltigkeit zu verbessern., So hat es zusammen mit dem Verein United Against Waste ein Projekt gestartet, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. In enger Zusammenarbeit mit dem Roomservice konnten die Portionsgrössen und das Bestellverfahren für Patient:innen verbessert werden. Heute werden 25% weniger Lebensmittel weggeworfen (Prinzip 1 Recycling).

Das Spinnendiagramm zeigt die Auswertung des Nachhaltigkeitsprojekts Sustineri der Hotellerie des Kantonsspitals Graubünden.

So funktioniert die Bewertung mit B-ACT

Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).

Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:

  • Erhöhung der Ressourceneffizienz
  • Stärkung der Resilienz
  • Sicherung der sozialen Gerechtigkeit

Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.

Illustration des B-ACT Tools auf einem Computer.

Damit punktet das Projekt

  • Das Spital bezieht und vermarktet lokale Lebensmittel, was die regionale Landwirt:innen stärkt und Wertschätzung gegenüber den regionalen Esskultur fördert.
  • Aktionen wie der Vegi-Tag oder die «nose to tail»-Kampagne sensibilisieren Patient:innen und Besuchende der Mensa für nachhaltige Ernährung.
  • In Workshops wurden der Roomservice und die Ernährungstherapie sensibilisiert. Die Zusammenarbeit war besonders wertvoll, da sich nachhaltige Nahrungsmittel oft positiv auf die Gesundheit der Patienten auswirken. Gleichzeitig konnte so die Lebensmittelverschwendung reduziert werden. Dies zeigt, wie im Gesundheitssektor eine nachhaltige Ernährung Win-win-Situationen schaffen kann.
Theke des Kantonsspitals Graubünden mit frischen und regionalen Produkten aus dem Nachhaltigkeitsprojekt Sustineri.

Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt

Die Beschaffung von Bio-Produkten für eine Grossküche wie die Küche des Kantonsspitals Graubünden ist schwierig, da der Grosshandel nur wenige, teure Bio-Lebensmittel liefert. Zudem ist das Spital wegen seiner Grösse unflexibel: Menüpläne werden vier bis sechs Wochen im Voraus erstellt, und kurzfristige Anpassungen sind schwierig.

Deshalb bezieht das Spital frische Zutaten überwiegend von grossen, zuverlässigen Produzierenden. Diese sind allerdings oft nicht bereit, für einen einzelnen Partner auf biologische Produktion umzustellen. Wenn möglich, entwickelt das Spital gemeinsam mit den Produzierenden eigene Bio-Produkte, wie mit der Bäckerei. Um regionale Bio-Kleinproduzenten dennoch zu unterstützen, entwickelt Marcel Coray gemeinsam mit ihnen haltbare regionale Produkte – wie zum Beispiel einen Randen-Salat mit dem Biohof Dusch.

Eine weitere Herausforderung ist es, trotz der Umstellung auf etwas teure Bio-Produkte den Preis für die Verpflegung nicht zu erhöhen. Das Spital setzt auf weniger Fleisch, mehr Frischprodukte und die Vermeidung von Food Waste, damit die Rechnung aufgeht.

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