Die Bergkäserei Spitzenbühl im Kurzporträt
Früher verkaufte der Hof Spitzenbühl in Liesberg BL auf 650 m.ü.M. seine Milch an einen einzigen Abnehmer. Weil die Milchpreise tief waren, störten sich Betriebsleiter Florian und seine Frau Evelyn Buchwalder an der hohen Abhängigkeit zu schlechten Bedingungen. Daraus entstand der Wunsch, die eigene Milch direkt als Trinkmilch zu vermarkten oder selbst zu Käse, Joghurt, Molke und mehr zu verarbeiten – zu fairen Preisen und gemeinsam mit den Konsumierenden. Um den Wunsch in die Realität umzusetzen, gründeten Florian und Evelyn Buchwalder zusammen mit über 70 anderen Personen 2013 eine solidarische und genossenschaftliche Bergkäserei: Es entstand eine Hofkäserei, welche die Milch von über 20 behornten Kühen der Rasse Schweizer Fleckvieh verarbeitet. Die Kühe haben Weidezugang und erhalten rein raufutterbasierte Nahrung. Damit ist die Genossenschaft ein Praxisbeispiel dafür, wie wir der Nachhaltigkeit sowie der Ernährungssouveränität ein Stückchen näherkommen – und somit selbstbestimmt darüber entscheiden, wie wir Nahrung produzieren und konsumieren.
Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.
Die Bergkäserei Spitzenbühl im Internet
Solidarisch und genossenschaftlich
Die Genossenschaft Bergkäserei Spitzenbühl ist nach dem Konzept der solidarischen Landwirtschaft organisiert. Dabei zahlen die Konsumierenden für die Milchprodukte faire Preise, werden bei der Produktion miteinbezogen und erhalten so Einblick in die Herstellung. Mitglieder arbeiten jeweils vier Stunden im Jahr in der Verarbeitung und Logistik mit. Die diversen Milchprodukte sind im Abo-System organisiert. Sie werden wöchentlich an sechs verschiedene Depots mit Kühlsystem in den beiden Basler Halbkantonen verteilt. Da es sich bei dem Schweizer Fleckvieh um eine Zweinutzungsrasse handelt (es eignet sich also sowohl für Milch- als auch für Fleischproduktion), können die Konsumierenden auch Fleischpakete vom Hof beziehen. Dies führt zu einer erhöhten wirtschaftlichen Diversifizierung (Prinzip 7 in der Grafik). Durch die lokale Verankerung in Basel ist auch die Anschlussfähigkeit (Prinzip 11) hoch, wobei der grösste Teil der Verarbeitung auf dem Hof stattfindet.
Respektvoller Umgang mit der Natur
Zudem zeichnet sich der Betrieb durch eine hohe Gesundheit der Tiere (Prinzip 4) aus. Die Kühe verbringen beispielsweise die ganze Saison auf der Weide (Vollweidesystem), sie behalten ihre Hörner und werden auf natürlichem Weg befruchtet. Das Futter stammt vom eigenen Hof: Es wächst auf Land, das nicht für die direkte menschliche Ernährung bewirtschaftet werden kann. Weiter hat der Betrieb eine eigene Aufzucht mit zwölf Rindern. Die Kälber werden mit ihren Müttern oder Ammenkühen aufgezogen. Letzteres sind sozusagen Ersatz-Mütter, die neben dem eigenen Kalb auch Kälber anderer Kühe aufziehen. Dabei trinken die Kälber direkt die Milch der Kühe, wodurch sie weniger krankheitsanfällig sind.
Auf den steilen Hängen des Hofs stehen 160 Hochstamm-Obstbäume. Ein Grossteil davon sind ProSpecieRara-Sorten. Ihre Wurzeln lockern den Boden, was kombiniert mit einer schonenden Landnutzung (zum Beispiel dem Einsatz von leichten Maschinen) zu einer hohen Gesundheit der Böden (Prinzip 3) beiträgt. Zudem engagiert sich der Betriebsleiter Florian Buchwalder in diversen Verbänden und Netzwerken für eine solidarische und faire Landwirtschaft, wodurch die Beteiligung (Prinzip 13) des Projektes sehr hoch ist.
So funktioniert die Bewertung mit B-ACT
Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).
Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:
- Erhöhung der Ressourceneffizienz
- Stärkung der Resilienz
- Sicherung der sozialen Gerechtigkeit
Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.
Damit punktet das Projekt
- Der Hof Spitzenbühl zeichnet sich durch eine hohe Konsequenz und Natürlichkeit aus. Beispielsweise können die Kühe während der ganzen Vegetationsdauer auf die Weide (Vollweidesystem), werden auf natürlichem Weg befruchtet und ernähren sich allein von Heu und Gras vom Hof.
- Unabhängigkeit wird gross geschrieben: Der Betrieb ist nicht nur unabhängig im Zukauf, indem er keine Futtermittel, Pestizide, Düngemittel oder Tiere einkauft. Auch bei der Energieversorgung ist er durch den eigenen Hackschnitzelofen, den er mit dem Holz aus dem eigenen Wald speist, grossteils autonom. Gleiches gilt für den Absatz der Produkte.
- Die Bergkäserei Spitzenbühl ist ein Reallabor, in welchem Florian Buchwalder und sein Team lernt. Ihr Wissen und ihre Erfahrung geben sie an andere Betriebe und Projekte weiter.
Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt
Während Florian Buchwalders Existenz davon abhängt, dass die Käserei rentabel ist, sind die Mitglieder der Genossenschaft weniger stark direkt betroffen. Gleichzeitig werden Entscheidungen partizipativ getroffen. Dies ergibt ein Ungleichgewicht, das nicht der ursprünglichen Vision einer gemeinsam getragenen Käserei entspricht.
Zurückführen lässt sich dies auf verschiedene Aspekte.
Einerseits stimmen die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht: Die herrschenden Bauvorschriften haben verhindert, dass die Genossenschaft die Hofkäserei selbst bauen konnte. Folglich hat der Landwirtschaftsbetrieb von Florian Buchwalder den Bau veranlasst, während die Genossenschaft Miete, Arbeitsstunden und Materialkosten bezahlt. Das Risiko und die Verantwortung blieben somit rechtlich gesehen beim Betrieb und werden nicht von allen mitgetragen.
Andererseits hat der Betrieb einen Standortnachteil: Da er abgelegen im Baselbieter Jura liegt, ist die Mitarbeit auf dem Hof für viele Genossenschaftler:innen oder Abonennt:innen mit einer längeren An- und Abreise verbunden. Dies schadet der Partizipation, was der ursprünglichen Idee einer engen Zusammenarbeit widerspricht, und macht es schwierig, genügend Personen für das Projekt zu gewinnen. Die Anzahl Genossenschaftler:innen reicht noch nicht aus, um rentabel zu wirtschaften.