Das Projekt «Katzhof» im Kurzporträt
Markus Schwegler und Claudia Meierhans bauen auf ihrem Familienbetrieb möglichst viele Lebensmittel für die direkte menschliche Ernährung an. Neben der Viehhaltung mit sieben Mutterkühen produzieren sie Getreide und Gemüse und betreiben eine Imkerei. Dazu kommt eine grosse Portion Erfindergeist und Pionierhaftigkeit.
Der Ausblick auf den Katzhof ist in der Tat ungewöhnlich: Über die hügelige Landschaft ziehen sich geschwungene, von Menschen gemachte Gräben, die mit Bäumen gesäumt sind. Auch die Ackerflächen sind nicht wie gewöhnlich rechteckig, sondern schlängeln sich entlang der Gräben. Diese Landschaftsgestaltung ist das Ergebnis des sogenannten Keyline-Designs, die das Ehepaar als erste in der Schweiz grossflächig umsetzen. Bei dieser Methode wird das natürliche Gelände genutzt, um Regenwasser effektiv zu verteilen: Das Wasser fliesst in den Gräben entlang der Höhenlinien, wo es langsam versickert und Erosion verhindert. Überschüssiges Wasser sammelt sich in Weihern und dient in Trockenperioden zur Bewässerung. Durch diese Methode hat das Ehepaar den Ackerbau im hügeligen Gelände wesentlich gestärkt – und spart Energie, da sie nun mit ihrem kleinen und wendigen Traktor den Höhenlinien entlang fahren können, statt sich die Hügel rauf und runter zu mühen.
Auf dem Hof finden sich weitere Erfindungen und innovative Konzepte, etwa fahrbare Gemüsetunnel mit Firstlüftungen. Diese hat Markus Schwegler selbst so konzipiert, dass sie dem starken Wind trotzen und den Boden schonen, indem sie flexibel versetzt werden können.
Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.
Katzhof im Internet
Unabhängigkeit durch eine aufbauende Landwirtschaft
Markus Schwegler und Claudia Meierhans wirtschaften möglichst autark und ressourceneffizient (Prinzip 1 und 2 in der unteren Grafik). Ein zentrales Element dafür ist ihr bewusster Umgang mit Wasser. Gleichzeitig produzieren sie erneuerbare Energie und kaufen keine Pestizide oder andere hoffremde Produkte. Möglich wird letzteres durch einen Ansatz, den das Ehepaar als «aufbauende Landwirtschaft» beschreibt. Die drei Betriebszweige – Ackerkulturen, Gemüseproduktion und Mutterkuhhaltung – greifen ineinander und bilden einen geschlossenen Kreislauf (Prinzip 6 Synergien). Zum Beispiel wird der Kuhmist mit den pflanzlichen Überresten vermischt, um hochwertigen Kompost herzustellen.
Neben agronomischen spielen auch soziale Aspekte eine wichtige Rolle. Auch die Arbeitsumgebung ist aufbauend und positiv. Kunstwerke von Künstler:innen zieren die Landschaft, und die geplante Umgebungsgestaltung am Weiher lädt zur Erholung während dem Jäten im Gemüsegarten ein.
„Katzhof“ stellt sich vor. Video: Farm Demo
Solidarische Landwirtschaft als Fundament
Der Katzhof bricht mit vorherrschenden gesellschaftspolitischen Normen. Er schafft eine Alternative zum bestehenden industriellen Ernährungssystem, das einer reinen Produktionslogik folgt und Markus Schwegler deshalb als «abbauend» bezeichnet. Die Innovation auf dem Katzhof wird einerseits durch gute Rahmenbedingungen begünstigt: Der Hof benötigt wenig fremdes Kapital, sodass das Ehepaar keine hohen Kredite abbezahlen muss.
Andererseits entzieht sich der Hof dem Druck des konventionellen Marktes und seinen tiefen Lebensmittelpreisen durch die Umsetzung der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi). Dabei schliessen Konsumierende ein Jahresabonnement ab und erhalten wöchentlich frisches Gemüse. Dies sichert dem Hof Vorauszahlungen und Abnahmegarantien, was finanzielle Stabilität schafft und Experimente ermöglicht. Langfristig soll die SoLaWi auch auf die anderen Betriebszweige ausgeweitet werden. Momentan verkauft das Ehepaar Produkte aus der Tierhaltung und dem Ackerbau noch im Hofladen oder an Biofarm. Und das Getreide verarbeitet es lokal zu schmackhafter Pasta.
Engagement als Vorzeigebeispiel
Markus Schwegler engagiert sich im Projekt Slow Water, das Landwirt:innen und Gemeinden zusammenbringt, um Strategien für nachhaltige Wasserbewirtschaftung zu entwickeln (Prinzip 12 Verwaltung von Land und Ressourcen und 13 politische Partizipation). Zudem setzt er sich in verschiedenen Initiativen für einen stärkeren Austausch unter Landwirt:innen ein.
So funktioniert die Bewertung mit B-ACT
Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).
Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:
- Erhöhung der Ressourceneffizienz
- Stärkung der Resilienz
- Sicherung der sozialen Gerechtigkeit
Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.
Damit punktet das Projekt
- Für das Ehepaar ist die Arbeit mehr als eine landwirtschaftliche Tätigkeit; Es sieht darin eine Kulturaufgabe. Es ist überzeugt, dass das aktuelle industrielle System nicht tragbar ist und Alternativen möglich sind. Diese Alternativen entwerfen die beiden gleich selbst und überzeugen so als gutes Beispiel. Dabei teilen sie ihre Erfahrungen gerne mit anderen Landwirt:innen. Markus Schwegler sagt dazu: «Wenn mein Projekt scheitert, dann tragen wir das Risiko. Wenn es erfolgreich ist, dürfen es alle, die wollen, gerne kopieren.»
- Der Katzhof reagiert aktiv auf die Herausforderungen des Klimawandels. Mit der zunehmenden Häufigkeit von Extremwetterereignissen, wie Trockenperioden und Starkniederschlägen, könnte es in der Region Richenthal in Zukunft zu Wasserknappheit kommen. Deshalb erfordert die Wasserbewirtschaftung ein Umdenken. Der Katzhof bietet durch das grossflächig umgesetzte Keyline-Design ein Experimentierfeld für die Landwirtschaft der Zukunft.
- Auf dem Katzhof relativiert sich das politisch oft diskutierte Dilemma zwischen Produktion und Ökologie. Der Hof überzeugt durch eine hohe Biodiversität und lebendige Landschaften. Zudem bringt das Keyline-Design gezwungenermassen unproduktive Flächen mit sich, besonders dort, wo die topografischen Bedingungen nicht mit der Maschinenführung übereinstimmen. Diese Flächen werden als Biodiversitätsflächen belassen. Der Erfolg zeigt sich unter anderem durch die Rückkehr des selten gewordenen Neuntöters, der nun auf dem Hof brütet.
Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt
Die Umsetzung von innovativen Projekten auf dem Katzhof erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung mit neuen Konzepten neben dem bereits vollen Arbeitsalltag. Ein Beispiel dafür ist die Einführung des Keyline-Designs. Ursprünglich nur für das Gemüsebeet vorgesehen, entschieden sich Markus Schwegler und Claudia Meierhans, die Methode auf den gesamten Betrieb auszuweiten. Diese und ähnliche Entscheidung erfordern gerade in einem traditionellen Umfeld viel Mut und Vertrauen in die eigene Vision.
Eine weitere Herausforderung für den Hof sind die bestehenden Regulierungen des Direktzahlungssystems, die nicht immer mit den innovativen Methoden des Betriebs vereinbar sind. Zwar können die beiden neu ihre Gemüseflächen als Permakulturflächen anerkennen lassen, was ihnen grössere Freiheit gewährt. Doch für andere Flächen sind kreative Lösungen gefragt. Derzeit ist der mehrstöckige Anbau im Keyline-Design mit Bäumen, Sträuchern und Gemüse auf derselben Fläche nicht zufriedenstellend geregelt. Die Hoffnung ruht auf dem Projekt Slow Water, bei dem es auch darum geht, solche innovativen Methoden in das Direktzahlungssystem zu integrieren.
Der Alltag auf dem Hof bringt immer wieder unerwartete Aufgaben mit sich. Während der Austausch von Erfahrungen hilfreich ist und das Paar für die Umsetzung des Keyline-Designs mit Expert:innen zusammenarbeitetet, muss es letztlich Herausforderungen auf dem Feld alleine lösen. Markus Schwegler und Claudia Meierhans sind beispielsweise noch unsicher, wie sie die Weiher und Wassergräben optimal pflegen und wie sich diese zukünftig weiterentwickeln werden. Bei der Entwicklung von Lösungen dürfen sie sich jedoch immer wieder auf ihren Erfindergeist verlassen.