2000 m² Ackerboden – reicht das zum Leben?

Von

Margarete Sotier, Biovision

Wir (ver)brauchen in der Schweiz weit mehr Boden, als jedem Menschen auf der Welt zustehen würde. Was sind die Ursachen und wie können wir unseren Boden-Fussabdruck verkleinern – eine Erkundungsreise.
Auf 2000 m² Ackerboden werden die wichtigsten Kulturpflanzen der Welt angebaut – im Grössenverhältnis, wie sie auf den Böden der Welt wachsen. 1. Weizen 2. Mais 3. Reis 4. sonstige Getreide 5. ölhaltige Pflanzen 6. Soja 7. Baumwolle 8. Nüsse 9. Obst 10. Hülsenfrüchte 11. Faserproduktion 12. Gemüse 13. Kartoffeln (Illustration: Annika Huskamp)
Auf 2000 m² Ackerboden werden die wichtigsten Kulturpflanzen der Welt angebaut – im Grössenverhältnis, wie sie auf den Böden der Welt wachsen. 1. Weizen 2. Mais 3. Reis 4. sonstige Getreide 5. ölhaltige Pflanzen 6. Soja 7. Baumwolle 8. Nüsse 9. Obst 10. Hülsenfrüchte 11. Faserproduktion 12. Gemüse 13. Kartoffeln (Illustration: Annika Huskamp)

Ein Acker so gross wie ein Eishockeyfeld

Haben Sie sich schon mal gefragt, wieviel Boden Sie zum Leben brauchen? Wie gross müsste die Fläche des Feldes sein, auf der alles für den eigenen täglichen Bedarf wächst – unsere Nahrung, Baumwolle für Kleidung, Rohstoffe?

Rund 2000 m² Fläche stehen uns pro Person zum Leben zur Verfügung, wenn wir die Fläche von 1,5 Milliarden Hektar Ackerland (ohne Wiesen, Weiden und Wald) auf der Welt durch die Anzahl der Menschen teilen. Damit wir uns den eigenen Versorgungsacker besser vorstellen können, hat die Zukunftsstiftung Landwirtschaft das Projekt «2000 m²» ins Leben gerufen, auch «Weltacker» genannt: Auf einer Fläche von 2000 m² werden die wichtigsten Ackerkulturen der Welt angebaut – im Größenverhältnis, wie sie auf den Ackerflächen unserer Erde auch tatsächlich vorkommen: Dort wachsen Weizen, Reis, Mais, Gemüse, Soja, Ölfrüchte, Erdfrüchte, Hülsenfrüchte, Tabak, Zucker und Futterpflanzen für Tiere.

Ist dieser Platz – so gross wie ein Eishockey-Feld – ausreichend, um unseren Konsumhunger in der Schweiz zu stillen?

Tomaten aus Spanien, Avocado aus Peru, Baumwolle aus Indien

Momentan nicht, denn in der Schweiz brauchen wir mit unserem Konsumstil ein deutlich grösseres Feld: Die Fläche, die der „durchschnittliche“ Schweizer-Bürger momentan benötigt, um sich zu versorgen ist 4400 m² gross. Sie umfasst ca. 2300 m² Ackerland sowie rund 2100 m² Weideland. Teilt man die Fläche der Schweiz auf die Anzahl der Menschen würde jeder Person lediglich 464m2 Ackerland und 1241 m2 Wiesen und Weiden zur Verfügung stehen. Umweltexpert:innen der Vereinten Nationen haben errechnet, dass Menschen in Europa global gesehen mehr als doppelt so viel Ackerfläche verbrauchen, wie ihnen statistisch gesehen zustehen würde.

Warum? Die Gründe dafür sind zahlreich. So kommen etwa viele Waren, die wir kaufen aus dem Ausland. Das heißt, wir importieren weit mehr, als wir hierzulande landwirtschaftlich produzieren. Das beginnt bei Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Fleisch und Getreide, betrifft aber besonders auch Produkte wie unsere Kleidung. Vor allem Baumwolle beansprucht sehr viel Ackerfläche. Außerdem werden hierzulande viele Lebensmittel weggeworfen – rund 1/3 landen als Food Waste in der Mülltonne. Und auf drei bis vier Prozent der weltweiten Ackerfläche wachsen mittlerweile Pflanzen für die Strom- und Wärmeerzeugung.

Hunger nach Fleisch

Ein weiterer Grund für den übermässigen Flächenverbrauch sind unseren Ernährungsgewohnheiten und gehen auf das Konto der Tierhaltung. Frau und Herr Schweizer assen 2019 im Schnitt ca. 50 kg Fleisch. Obwohl sich immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan ernähren, ist das doppelt so viel wie noch in den 1950er Jahren. Fast ein Drittel des globalen Getreideanbaus (u.a. Soja) wird an Tiere verfüttert. Der Flächen-Fußabdruck für tierische Lebensmittel pro Person ist enorm. Gerade mal zwei Schweine könnten sich von dem 2000 m²-Feld ernähren, das uns theoretisch zusteht.

Um unseren Fleischhunger zu stillen, reicht die einheimische Futterfläche bei weitem nicht aus. Dazu müssen wir einen Grossteil der Futtermittel importieren. Die Fläche für Mais- oder Sojaimporte fehlt aber den Menschen in den Herkunftsländern, um Nahrung für sich selbst anzubauen. Denn auch dort sind die Ackerflächen knapp. Neue Flächen z.B. für den Sojaanbau lassen sich etwa in Brasilien nur gewinnen, wenn wertvolle Regenwälder gerodet werden – mit gravierenden Auswirkungen auf die Biodiversität und das Klima.

Nur zwei Schweine könnten von 2000 m² satt werden. (Illustration: Annika Huskamp)
Nur zwei Schweine könnten von 2000 m² satt werden. (Illustration: Annika Huskamp)

Hunger nach Energie

Mit unserem Konsumverhalten beschränken wir momentan also die Ackerfläche von anderen Menschen. Auf 2000 m² lassen sich nicht beliebig viel Nahrung, Futtermittel, Textilfasern und seit neustem auch Bio-Sprit produzieren. Denn zur Deckung des weltweit steigenden Energiebedarfs werden heute zunehmend Landwirtschaftsflächen für die Produktion von Bio-Treibstoffen benutzt.

Aktuell wachsen auf drei bis vier Prozent der weltweiten Ackerfläche mittlerweile Pflanzen für die Strom- und Wärmeerzeugung – vor allem für den sogenannten Bio-Sprit. Diese Entwicklung hat in den vergangenen Jahren für eine Teuerungswelle bei Lebensmitteln gesorgt, die vor allem arme Länder trifft. Die Rohstoffe wachsen auf Flächen heran, die eigentlich für Nahrungsmittel gebraucht würden.

Hunger nach Boden

Weltweit beträgt der Anteil fruchtbarer Ackerflächen nur 1/32 der Erdoberfläche. Europa verfügt im globalen Vergleich über widerstandsfähige Böden. Aber über ein Drittel der Ackerflächen in Europa sind verdichtet, haben durch Erosion (Wind, Wasser) stark an Qualität abgenommen und sind daher nicht mehr kultivierbar. 24 Milliarden Tonnen fruchtbare Humusschicht gehen durch Erosion weltweit jährlich verloren. Sie wird von heftigen Regengüssen fortgespült oder vom Wind verweht. Verantwortlich ist aber nicht nur das Wetter, sondern oft eine falsche Bodenbearbeitung oder eine landwirtschaftliche Übernutzung. Die Abnahme der organischen Substanz wie Humus und Bodenlebewesen führt zur Abnahme der Boden-Fruchtbarkeit. Einmal zerstört dauert es mehrere Jahrzehnte, diese wieder aufzubauen. Der problematische Boden-Zustand wird durch die Verwendung von chemisch-synthetischen oder natürlichen Düngern kaschiert, weshalb die Ernteerträge aktuell noch stabil sind.

Eine natürliche und langfristige Bodenproduktivität bedingt eine Landwirtschaft, die das Leben im Boden fördert. Das Ziel ist lockere Erde, die einer enormen Vielfalt von Organismen gesunden Lebensraum bietet.

Der Boden ist unsere Lebensversicherung

Was aber kann ich selber tun, um meinen Boden-Fussabdruck zu verringern? Am Anfang steht die Erkenntnis, dass der Boden kostbar, endlich und bedroht ist, und dass er für uns Menschen eine Art Lebensversicherung bildet. Es braucht das Bewusstsein, dass ich mit jedem Kaufentscheid mitbestimme, was, wo wie angepflanzt und produziert wird, und so das Schicksal der Böden mitbeeinflusse.

Den grössten Hebel bietet die Anpassung der Ernährungsgewohnheiten. Wenn alle Schweizer:innen nur einmal in der Woche auf Fleisch verzichten würden, ergäbe das eine enorme Flächenersparnis von 70.000 Hektar, also ca. 70.000 kleinen Fußball-Feldern. Eine vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung ist aber auch für unsere Gesundheit förderlich. Ausserdem bedeutet sie global gesehen weniger Hunger, weil durch die Abnahme der Futterflächen für Tiere mehr Platz für den Anbau von Nahrungsmitteln für die Menschen bliebe. Würden wir in der Schweiz vorwiegend lokale, den Nutzflächen angepasste Bioprodukte aus der Region konsumieren, könnten erheblich mehr Menschen ernährt werden.

Übrigens: Möchten Sie selbst erfahren, wie viel Fläche Sie beanspruchen und was dort wächst und lebt? Besuchen Sie einen der Schweizer Weltäcker in Attiswil, Bern oder Nuglar! Auf einer Führung können Sie herausfinden, ob die 2000 m² für Ihren eigenen täglichen Konsum ausreichen. Entdecken Sie die verschiedenen Aspekte der Lebensmittelproduktion, von den Grundlagen des Landbaus und der Bodenkunde, über das Saatgut und die Bestäubung bis hin zur Ernte und zum Kompost.

Ein Besuch lohnt sich!

5 goldene Einkaufsregeln

Biovision sensibilisiert die Schweizer Bevölkerung, insbesondere die Jugend, für die Auswirkungen des eigenen Konsumverhaltens auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. Die Wanderausstellung «CLEVER – nachhaltig konsumieren»,  vermittelt konkrete Handlungstipps für den eigenen Einkauf.

Die «5 goldenen Einkaufsregeln»

  1. Weniger ist mehr! Kaufen Sie, was Sie wirklich brauchen
  2. Essen Sie regelmässig vegetarisch
  3. Kaufen Sie saisongerecht und regional ein
  4. Wählen Sie Produkte mit nachhaltigen Labels wie Bio oder Fairtrade
  5. Meiden Sie Produkte mit Palmöl
Jugendliche füllen ihren Einkaufskorb im Clever-Shop

Weitere Beiträge

Konsum

Aussen süss, innen bitter

Wer nicht nur bei den Beschenkten Freude auslösen will, sollte bei Schoggi-Osterhasen auf Bio- und Fairtrade-Labels setzen.
Konsum

Zum Fest ein PIWI statt ein gespritzter Weisser?

Bei der Wahl des Weins lohnt es sich, die Nachhaltigkeit einzubeziehen. Denn beim konventionellen Rebbau werden grosse Mengen an Pestiziden eingesetzt.
Konsum

So sind Obst und Gemüse nachhaltig

Früchte und Gemüse sind für eine gesunde Ernährung unentbehrlich und auch nachhaltiger als die meisten tierischen Produkte. Trotzdem gilt es einiges zu beachten – gerade im Winter.
Konsum

Upcyceln, tauschen oder fair kaufen: Tipps für nachhaltige Mode

In der Schweiz kauft jede Person jährlich circa 60 neue Kleidungsstücke. Durchschnittlich haben wir 120 davon im Schrank, von denen wir 40% höchstens vier Mal tragen – nur noch halb so lange wie vor 15 Jahren. Ausrangierte Kleidungsstücke landen oft im Müll oder in der Altkleidersammlung. Was tun, wenn man nachhaltig konsumieren will, aber doch mal Lust auf ein neues Kleidungsstück hat.