Empfehlungen für eine nachhaltige Ernährungspolitik aus der Mitte der Gesellschaft

Von

Frank Eyhorn, Geschäftsführer Biovision

Den einen gehen die Empfehlungen des Bürger:innenrates zu wenig weit, den anderen sind sie zu radikal. Was sie aber durch den gewählten Prozess auszeichnet: in ihrer Gesamtheit sind sie mehrheitsfähig.

Was passiert, wenn die Schweizer Bevölkerung direkt Empfehlungen an die Politik ausarbeitet? Rund 80 von einem Marktforschungsinstitut zufällig ausgewählte Personen haben sich über fünf Monate hinweg intensiv mit den komplexen Herausforderungen unseres Ernährungssystems auseinandergesetzt, vom Feld bis auf den Teller und darüber hinaus. Dabei erhielt der Bürger:innenrat für Ernährungspolitik ausgewogene Informationen aller Interessensgruppen – etwa seitens landwirtschaftlicher Produktion, Verarbeitung und Handel, Umwelt- und Konsumentenorganisationen – sowie von Expertinnen und Experten aus den wichtigsten Schweizer Forschungsinstitutionen. Der Prozess wurde durch Collaboratio Helvetica von unabhängiger Seite moderiert und durch die ETH Zürich wissenschaftlich begleitet.

Tragfähige Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft

Das Ergebnis beeindruckt und überrascht. Während die Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft in der Schweiz bekannterweise ausgesprochen polarisiert und zuweilen polemisch geführt wird, waren die Diskussionen von einer grossen Bereitschaft geprägt, die unterschiedlichen Perspektiven wertzuschätzen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. Einig wurde man sich, dass dringender Handlungsbedarf besteht: Die Art und Weise, wie wir Nahrungsmittel produzieren und konsumieren trägt massgeblich zu Artenschwund, Klimawandel, Gewässerbelastung und gesundheitlichen Problemen bei, mit gewaltigen gesellschaftlichen Kosten. Da wir fast die Hälfte unserer Nahrungs- und Futtermittel importieren, ist unsere Ernährungsweise zudem eng verflochten mit Problemen wie Armut und Umweltzerstörung in den Herkunftsländern.

Empfehlungen, die Brücken bauen

Bemerkenswert ist, dass sich die Vorschläge nicht entlang der üblichen Gräben wie Stadt-Land, links-rechts ausrichten. Eine mehrheitsfähige Ernährungspolitik darf Umweltziele nicht auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern durchsetzen. Die Empfehlungen des Bürger:innenrats sind denn auch differenziert und setzen die Hebel auf verschiedenen Ebenen an: etwa bei der Aufklärung der Konsumierenden, Veränderungen in der Preispolitik beim Detailhandel, der verstärkten Förderung nachhaltiger Landwirtschaft sowie der Förderung von Forschung und Ausbildung im Ernährungsbereich. Dabei soll mehr Ackerfläche für die menschliche statt tierische Ernährung genutzt, der Selbstversorgungsgrad der Schweiz erhöht und der bürokratische Aufwand gesenkt werden.

Inspiration für Agrarpolitik 

Nun ist die Politik gefragt. Der Bundesrat anerkennt in seiner im Sommer vorgestellten Strategie zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik zwar den dringenden Handlungsbedarf, Reformen werden aber auf die lange Bank geschoben, mit Zielhorizont 2050. Das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Es bleibt zu hoffen, dass das Parlament sich vom Mut des Bürger:innenrates inspirieren lässt und ganzheitlich handelt. Denn Grabenkämpfe bringen uns nicht weiter, und ein «weiter wie bisher» ist keine Option.

Bürger:innen bringen sich ein

Wie soll eine Ernährungspolitik für die Schweiz aussehen, die bis 2030 allen Menschen gesunde, nachhaltige, tierfreundliche und fair produzierte Lebensmittel zur Verfügung stellt?

Die detaillierten Empfehlungen des Schweizer Bürger:innenrats für Ernährungspolitik sind in den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch auf der Webseite des Bürger:innenrats aufgeschaltet. 

Der Bürger:innenrat für Ernährungspolitik wird im Rahmen des Projekts «Ernährungszukunft Schweiz» durchgeführt, das vom Sustainable Development Solution Network Switzerland (SDSN), Landwirtschaft mit Zukunft und Biovision getragen wird. 

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