Mit Viehfutter und Dünger gegen Konflikte

Von

Loredana Sorg, Biovision (Text) und Safaris Studio Morogoro (Bilder)

Von heute auf morgen wird nicht alles gut. Aber mit grossem Durchhaltewillen, unkonventionellen Ideen und Offenheit können Projekte tatsächlich Leben zum Besseren verändern. Dies zeigt eine Studie über unseren sieben Jahre dauernden Einsatz für Viehhalter:innen und Bäuer:innen in Tansania.

«In unserer Massai-Gemeinschaft kommt das Vieh an erster Stelle», Kaspeni Mkurumbwe aus dem Dorf Mbwade in Tansania steht inmitten seiner Herde: 30 Kühe und 40 Ziegen: «Früher lebten wir allein von der wenigen Milch unserer Kühe. Unsere Lebensbedingungen waren sehr herausfordernd.» Dauerte die Trockenzeit zu lange, seien einige Kühe verendet, weil sie zu wenig Nahrung fanden. Die Suche nach WeideIand führte zudem zu Spannungen und gar Konflikten mit den Bauernfamilien.

«Durch das Projekt habe ich erfahren, dass auch Viehhalter ihre Weideflächen bewirtschaften und das Gras als Heu für die zukünftige Nutzung aufbewahren können», sagt der 60-Jährige. Zwei Hektaren hat er nun dafür reserviert: «So stelle ich sicher, dass mein Vieh auch in der Trockenzeit genügend Futter hat.»

Mit dem Projekt von Biovision hat sich die Situation für ihn und seine Familie verbessert: «Unsere Kühe geben heute viermal mehr Milch: täglich zwei Liter. Zudem melken wir sogar die Ziegen, was wir vorher nie getan haben.» Mkurumbwe verkauft heute durchschnittlich 20 Liter Milch pro Tag auf dem Markt von Ludewa: «Mein Einkommen ist erheblich gestiegen. Jetzt kann ich meine Kinder zur Schule schicken.»

Viehhalter Kaspeni Mkurumbwe mit seinen Kindern und der Herde.

Einkommenssteigerung und weniger Konflikte

Seit sieben Jahren verbessert unsere Partnerorganisation Sustainable Agriculture Tanzania (SAT) mit dem Projekt die Lebensbedingungen von Bauern- und Viehhaltergruppen in der Region Morogoro. Das mutige Projekt hat nämlich zum Ziel, nicht nur ihre Lebensbedingungen durch nachhaltige agrarökologische Praktiken zu verbessern, sondern auch gleichzeitig Lösungen zu entwickeln, um Konflikte zu vermeiden.

«Immer wieder geraten Viehhalter- und Bauernfamilien wegen unterschiedlicher Landnutzung aneinander», erklärt Salma Yassin, Projektverantwortliche bei SAT: «Deshalb hat dieses Projekt sowohl soziale als auch ökonomische Komponenten.» Die Folgen dieser Landkonflikte sind Gewaltausbrüche, Viehdiebstal, Zerstörung von Maisfeldern sowie die Vertreibung von Menschen. Zudem: Die Weideflächen schrumpfen aufgrund der wachsenden Bevölkerung und des zusätzlichen Landbedarfs für den Ackerbau, was die Konflikte vielerorts zusätzlich anheizt.

Die Wirkung dieses Projekts hat ein externes tansanisches Büro im Auftrag von SAT und Biovision 2023 untersucht. Das Resultat: Gemeinschaften wie das Dorf Mbwade, wo Kaspeni Mkurumbwe mit seiner Familie lebt, konnten ihr Einkommen signifikant erhöhen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Bauern- und Viehzüchterfamilien, die sich seit 2017 an Projektaktivitäten beteiligen, stieg auf mehr als das Doppelte an: von umgerechnet 200 auf 490 Franken. Zum Vergleich: Bei Familien, die sich nicht direkt am Projekt beteiligten, wuchs das Einkommen nur auf 370 Franken.

Höhere Vielfalt als Absicherung

Diese Verbesserungen erreichten die Viehhalterinnen und Viehhalter, indem sie neue Rinderrassen einkreuzten und während der Regenzeit neuerdings Heu produzieren – für ein verbessertes Futterangebot während der Trockenzeit. Gleichzeitig versuchen sie, die begrenzten Landressourcen noch schonender zu nutzen und sorgen mit nachhaltigem Weidemanagement und der Ansaat robuster Grassorten für ein höheres Futterangebot.

Die Bäuerinnen und Bauern ihrerseits setzen bei den Ackerkulturen bewusst auf mehr Vielfalt. Dadurch können sie nicht nur die Synergien zwischen verschiedenen Pflanzen nutzen, sondern auch das Risiko reduzieren, dass sie wegen eines Schädlings die komplette Ernte verlieren. Mit diesem auf Langfristigkeit ausgelegten agrarökologischen Ansatz stärken sie ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels.

Die Wirkungsstudie zeigt auf, dass auch die Bäuerinnen und Bauern ihre Produktivität substanziell verbessern konnten: Beim Grundnahrungsmittel Mais haben sie ihren Ertrag von durchschnittlich 1912 kg auf 3271 kg pro Hektare erhöht. Das ist deutlich mehr als der Ernteertrag der Kontrollgruppe.

«Unsere Kühe geben heute viermal mehr Milch»; Familie Mkurumbwe giesst Milch in einen grossen Metallbehälter.

Tauschhandel, von dem alle profitieren

Die Bauernfamilien bringen nun ihre Ernte zum nahe gelegenen SAT-Ausbildungszentrum in Vianzi, wo sie ihren Mais, ihre Hirse und Sonnenblumen verarbeiten und zu einem angemessenen Preis vermarkten können. Die Rückstände aus der Lebensmittelverarbeitung, wie etwa Sonnenblumenkuchen, bieten die Bauernfamilien als Tierfutter den Viehhalter:innen an. Dafür erhalten sie tierischen Dünger.

Auf diese Weise hat sich ein Tauschhandel etabliert: Dieser bringt Vorteile für alle Beteiligten und stärkt das gegenseitige Verständnis. Gedüngte Parzellen führen zu einer höheren Produktion, was wiederum mehr verfügbares Tierfutter bedeutet. Und nicht zuletzt hat das Futter das Potenzial, die Milchleistung zu steigern, was mit den neu eingekreuzten Rassen Hand in Hand geht.

Pionierin der agrarökologischen Gemüseproduktion

Mercy Meena aus dem Dorf Kimambila ist dank dem Projekt auf agrarökologischen Anbau umgestiegen: «Als SAT uns in agrarökologische Methoden einführte, war ich sofort von den Möglichkeiten begeistert. Es ging nicht nur um den Anbau von Nahrungsmitteln, sondern auch um die Pflege des Bodens, den Schutz der Umwelt und den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft für mein Dorf.»

Früher sei ihr Boden sehr trocken gewesen. Meena installierte ein Bewässerungssystem, setzte auf Kompost und Tierdung, zog Setzlinge in ihrem neuen Gewächshaus und erntet seither erfolgreich Tomaten und Hibiskus. Mit dem Verkauf ihrer Produkte hat sie auch ihr Einkommen verbessert: «Nur so konnte ich Milchkühe kaufen, deren Milch ich an meine Nachbarn verkaufe.» Und das schlechte Verhältnis zu den Viehhalter:innen gehört der Vergangenheit an: «Durch das Projekt konnten wir gute Beziehungen aufbauen, die so weit gehen, dass wir uns zusammensetzen, um den Fortschritt des Projekts zu besprechen.»

«Durch das Projekt konnten wir gute Beziehungen zu den Viehhaltern aufbauen.», Bäuerin Mercy Meena macht in der Trockungsanlage ihre Ernte länger haltbar.

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