Das Projekt «Weingut Lenz» im Kurzporträt
Der Erfolg des Thurgauer Weinguts basiert auf fruchtbaren Böden, einer hohen Biodiversität und robusten Rebsorten. Dank dem Zusammenspiel dieser drei Grundpfeiler ist der Betrieb nicht nur wirtschaftlich, sondern generiert genügend Wertschöpfung, um Investitionen zu tätigen.
Dass sich der Betrieb seit Jahren ständig weiterentwickelt und verbessert, ist spürbar: Steht man auf dem Weingut, scheint alles ausgeklügelt und überall entdeckt man feine Details – von den Blühstreifen und Fledermaushäusern über die Obstbäume zwischen den Rebzeilen bis hin zum biodynamischen Beton und den Wassersparhähnen. Über die Zeit hat jeder Streifen Land des Weinguts zu einer weiteren Aufwertung des Ökosystem beigetragen, wodurch der Schädlings- und Krankheitsdruck enorm abgenommen hat. Das ganze System ist stabiler, robuster, aber auch gewinnbringender und unabhängiger von externen Inputs geworden. Das Weingut Lenz beweist somit, dass es möglich ist, im Bereich Weinbau mit der Wiederherstellung von sich selbst regulierenden Lebenskreisläufen einerseits nachhaltig und andererseits sehr wirtschaftlich zu arbeiten.
Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.
Das Weingut Lenz im Internet
Ein Biodiversitätshotspot
Auf dem Weingut Lenz wachsen pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwi) und Beikräuter zwischen den über 1000 Fruchtbäumen und weiteren gut 2000 einheimischen Bäumen, Büschen und Sträuchern. Karin und Roland Lenz haben sich in den letzten fünfzehn Jahren ganz der Förderung von Biodiversität (Prinzip 5 in der Grafik) und von Synergien (Prinzip 6) verschrieben. Beispielsweise praktizieren sie Permakultur, widmen 17% ihres Rebbergs der Biodiversität, fördern Fledermäuse gegen die Kirschessigfliege und optimieren den Nährstoffaustausch zwischen den Pflanzen – ohne dass sie dadurch ihre Ernte einbüssen würden.
Das dadurch geschaffene, sich selbst regulierende Ökosystem trägt massgeblich zur Reduktion von Produktionsmitteln bei (Prinzip 2): Es sind keine Eingriffe mit synthetischem Pflanzenschutzmittel, Kupfer oder Dünger gegen die sonst üblichen Pilzerkrankungen mehr nötig. Dadurch spart das Team nicht nur viele Arbeitsstunde und kann sich sinnvolleren Aufgaben zuwenden, sondern fördert auch die Gesundheit der Böden (Prinzip 3). Die wenigen biodynamischen Stärkungsmitteln für die Reben, bringen Karin und Roland Lenz mittels Drohnen aus, die mit hauseigener Energie angetrieben werden.
Pilzwiderstandsfähige Rebsorten für noch mehr Diversität
Die Diversität auf dem Betrieb trägt zur wirtschaftlichen Diversifizierung (Prinzip 7) bei. Das Agroforstsystem macht das Projekt nicht nur resilient gegen Extremwetterereignisse, sondern führt auch zu einer grösseren Palette an Produkten, wie beispielsweise Obstsäften oder Nüssen. Die Weine sind qualitativ hochwertig und ebenfalls divers: Sie reichen von Souvignier Gris und Solaris über Cabernet Jura bis zu Léon Millot und Laurot. Das Sortiment soll weiter wachsen: Das Weingut hat sich der Züchtung einer neuen pilzwiderstandsfähigen Rebsorte verschrieben. Aus einer Auswahl von jährlich rund 30’000 Samen aus Kreuzzüchtungen werden derzeit mit 50 Sorten weitere Versuche durchgeführt. Zusammen mit dem solidarischen Weingarten und den diversen Veranstaltungen, die auf dem Weingut stattfinden, trägt der Betrieb zur gemeinsamen Wissensgenerierung (Prinzip 8) bei.
So funktioniert die Bewertung mit B-ACT
Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).
Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:
- Erhöhung der Ressourceneffizienz
- Stärkung der Resilienz
- Sicherung der sozialen Gerechtigkeit
Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.
Damit punktet das Projekt
- Das Weingut Lenz wurde 2023 vom Bio-Weinshop Delinat als erstes Schweizer Weingut zum europäischen Biodiversitätsweingut des Jahres gekürt. In Sachen Nachhaltigkeit geht das Weingut weit über biologische Anbau-Standards hinaus und hat internationalen Vorbildcharakter. Der Betrieb ist der lebende Beweis dafür, dass Wirtschaftlichkeit und eine Förderung der Biodiversität Hand-in-Hand gehen können.
- Der Betrieb setzt sich stark für pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwi) ein: Einerseits pflanzen und vermarkten Karin und Roland Lenz diese Sorten, andererseits arbeiten sie eng mit dem Schweizer Rebzüchter Valentin Blatter und dem Rebschulisten Philipp Borioli zusammen, um neue Sorten zu züchten. Zudem präsidiert Roland Lenz die Vereinigung PiWi Schweiz.
- Das Weingut setzt sich durch diverse Veranstaltungen auf dem Betrieb für eine Sensibilisierung der Konsumierenden ein und engagiert sich in diversen Netzwerken wie BioEtico und Demeter.
Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt
Karin und Roland Lenz entwickeln das Weingut Lenz stetig weiter: Sie analysieren jährlich, was sie verbessern können, um noch weniger Ressourcen zu verbrauchen und eine noch höhere Qualität zu erreichen. Der Wille zur stetigen Weiterentwicklung ist Erfolgsrezept, aber auch Herausforderung. Zudem sind die beiden momentan auf der Suche nach Nachfolger:innen für das Weingut.
Auf der politischen Ebene schränkt laut Roland Lenz das Rebbaukataster seine Arbeit und die Biodiversitätsförderung ein. Das Kataster umfasst alle Grundstücke, die mit Reben bepflanzt sind und ist mit den staatlichen Direktzahlungen verknüpft. Leider ist das Kataster auf konventionelle Monokulturen ausgerichtet und nicht mit einem Agroforstsystem vereinbar: Beispielsweise darf der Betrieb bei einem Agroforstsystem weniger Fläche für Rebbau ausweisen und somit weniger Wein herstellen.
Weiter stelle das Direktzahlungssystem einen grossen bürokratischen Mehraufwand für den Betrieb dar und solle revidiert werden, so Roland Lenz: Ein Ansatzpunkt wäre ihm zufolge die Streichung von biodiversitätsschädlichen Bestimmungen. Ähnliche Forderungen wurden auch von einer repräsentativen Gruppe der Bevölkerung während des Bürger:innenrats für Ernährungspolitik vorgeschlagen. Die Streichung würde die richtigen Anreize setzen und weniger Arbeit für den Betrieb bedeuten. Das jetzige Direktzahlungssystem trage zu wenig zu dem nötigen und tiefgreifenden Wandel der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit bei.