Beschleuniger des Wandels

Von

Patricio Frei, Biovision.

Seit seiner Kindheit treibt Joseph Nkandu diese eine Frage an: Warum kommen Kaffeebäuerinnen und -bauern trotz harter Arbeit kaum über die Runden? Heute ermöglicht sein Unternehmen Kleinbauernfamilien in Uganda eine bessere Zukunft, mit Unterstützung von Biovision.

Joseph Nkandu kam als Sohn einer einfachen Kaffeebauernfamilie in Uganda zur Welt. Obschon seine Eltern hart auf ihrer kleinen Plantage arbeiteten, kamen sie kaum über die Runden: «Jeden Monat kämpften meine Eltern damit, das Schulgeld für mich aufzubringen.» Später lernte er, dass Kaffee der grösste Devisenbringer für Uganda ist. «Für mich war das ein Widerspruch», erklärt er rückblickend: «Wie kann es sein, dass Kaffee die wichtigste Einnahmequelle ist, meine Eltern aber nicht genug verdienen, um mein Schulgeld zu bezahlen?» Diese Frage sollte sein Leben bestimmen.

Dank der finanziellen Unterstützung eines Onkels konnte Joseph Nkandu an der Universität in Kampala Landwirtschaft studieren. Später kam ein MBA in sozialer Unternehmensführung hinzu. Heute hat er als Gründer und Direktor des genossenschaftlich organisierten Nucafe 1.5 Millionen Kaffeebäuerinnen und -bauern hinter sich. Sein jüngstes Engagement heisst: Queen of Coffee.

Unter diesem Label produziert Nkandu selbst Kaffee – zusammen mit Kaffeebauernfamilien auf der Insel Bunjako im Viktoriasee, die er «die einzige Kaffeeinsel der Welt» nennt. Hier will er eine Öko-Lodge errichten, wo Touristen in Ufernähe übernachten und Kaffeeproduktion hautnah miterleben können.

Früher waren die Kaffeebauernfamilien auf Bunjako den Händlern ausgeliefert. Für ihren Kaffee erhielten sie nur einen Fünftel des Festlandpreises: Umgerechnet 14 statt 70 Rappen pro Kilo. Seit – auch dank Nkandus Engagement – eine Strasse über einen einfachen Damm auf die Insel führt, erhalten Bunjakos Bauernfamilien für ihren Kaffee den vollen Preis.

Nkandu hat eine Modellfarm errichtet, um den Bäuerinnen und Bauern vor Ort eine effizientere Art des Kaffeeanbaus näherzubringen: «Als Agronom wollte ich durch Anwendung der Wissenschaft erreichen, dass die Kaffeebauernfamilien auf ihrem kleinen Stück Land mehr produzieren können.» Auf seiner Modellfarm hat Nkandu den Abstand zwischen den Kaffeestauden reduziert und jede Pflanze vertieft in einer kleinen Senke platziert, um das Wasser zurückzuhalten und hier wird auch der Kompost platziert. So ist auf derselben Fläche eine deutlich bessere Ernte möglich. Zusammen mit den Bauernfamilien auf der Insel will er auch die Kaffeequalität verbessern, was sich wiederum auf den Preis auswirkt.

Anfänglich begegneten ihm die Bäuerinnen und Bauern mit Misstrauen. Doch als sie sahen, welche Menge er auf der Modellfarm erntete, begannen sie, seine Methoden zu kopieren. «Früher haben wir Pestizide verwendet und damit die Umwelt geschädigt», erklärt Ben Luboyera, einer der Bauern, die Queen of Coffee beliefern: «Auf der Modellfarm haben wir gesehen, dass es möglich ist, agrarökologisch anzubauen. Statt für Chemikalien verwenden wir nun das Geld, um unsere Häuser instand zu halten.»

«Statt für den Kauf von Chemikalien verwenden wir nun das Geld, um unsere Häuser instand zu halten.»; Bauer Ben Luboyera beliefert Queen of Coffee.

Wissen, Vernetzung und Kapital

Nkandu nahm im letzten Jahr als einer von 20 Unternehmerinnen und Unternehmern am ersten einwöchigen Bootcamp vom «Neycha Accelerator & Fund» teil. Mit dieser Initiative fördert Biovision zusammen mit der Partnerorganisation Shona agrarökologische Unternehmen in Kenia und Uganda: Mit Wissensaufbau, Vernetzung und Zugang zu Kapital. Die Unternehmen verbessern in den Trainings mit Unternehmens- und Agrarökologieexperten ihren Businessplan, ihre Buchführung, ihr Geschäftsmodell aber auch die agrarökologischen Praktiken inklusive sozialen Aspekten wie Gleichberechtigung oder Mitsprache. Zudem können sich die Unternehmer:innen mit Neycha besser vernetzen und gegenseitig unterstützen. Und vor allem: Neycha vergibt erschwingliche Kredite, die von Dritten bereitgestellt werden.

Mit Neycha will Biovision den agrarökologischen Markt stärken. Indem wir nachhaltig produzierenden Bäuerinnen und Bauern den Zugang zu benötigten Hilfsmitteln sowie die Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte erleichtern, leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Transformation des Ernährungssystems.

Wie agrarökologisch die Unternehmen tatsächlich wirtschaften, klären wir mit unserem B-ACT. «Wir können nicht verlangen, dass sie von Anfang alle 13 Prinzipien der Agrarökologie erfüllen», erklärt Fabio Leippert, Co-Leiter Politikdialog & Anwaltschaft. Gemeinsam wird ein Plan erstellt, wo ein Unternehmen bis wann welche Verbesserungen erzielen muss. Und die Aussicht auf einen Kredit erhöht den Anreiz, die gesetzten Ziele ambitioniert zu verfolgen.

Queen of Coffee punktet bei der Biodiversität, gemeinsamen Wissensgenerierung und Beteiligung. Doch das soll erst der Anfang sein. Joseph Nkandu ist zuversichtlich, bald schon auch den weiteren Prinzipien der Agrarökologie besser zu entsprechen. Am einwöchigen Neycha-Bootcamp hat er viel für seine tägliche Arbeit gelernt und sich dabei mit gleichgesinnten Unternehmerinnen und Unternehmern aus Uganda und Kenia vernetzt. Etwa mit Miswaleh Zingizi, einer früheren Fernsehjournalistin, die ihr Leben heute der Cashew-Nuss verschrieben hat.

«Als hätte ich den Master of Business Administration in nur einer Woche abgeschlossen!»; Miswaleh Zingizi ist stolz auf ihre Cashewnüsse.

Das Unternehmen in der Wohnstube

Vor kurzem haben Zingizi und ihr Mann das Wohnzimmer geräumt und leben nun im ersten Stock ihres Einfamilienhauses in Nairobi. Wo zuvor das Sofa stand, rösten und verpacken drei Arbeiterinnen Cashewnüsse für Kaya Nuts. In einer Ecke sitzt Zingizi an ihrem Schreibtisch: «Wir kommen kaum nach, die Nachfrage zu befriedigen!»Ihre Cashewnüsse gibt es in Geschmacksrichtungen wie «Cayenne Lemon» und «Mint Spiced» oder verarbeitet zu Schokoriegeln. Kaya Nuts beliefert heimische Delikatessen-Läden und führt einen Online-Shop. Die Cashewkerne stammen aus der Küstenregion Kenias, wo Zingizi herkommt.

Als Miswaleh Zingizi 2018 ihr Heimatdorf im Bezirk Kwale besuchte, lag der Geruch gerösteter Cashewnüsse in der Luft. In Zingizi kamen Kindheitserinnerungen hoch. Von den Frauen, welche die Nüsse verarbeiteten, erfuhr sie, welche Schwierigkeiten diese hatten, ihre Waren an die Kundschaft zu bringen – und in welch prekären Verhältnissen sie lebten. Es war der Beginn einer Zusammenarbeit, die bis heute Bestand hat. 400 Frauen beliefern Kaya Nuts und verbessern mit ihrem Einkommen die Lebensbedingungen ihrer Familien. Die Bäuerinnen und Bauern werden in agrarökologischen Methoden geschult und beraten. Zudem erhalten sie Unterstützung, um ihren Baumbestand mit einer neuen Sorte zu verjüngen, die besser mit der zunehmenden Trockenheit zurechtkommt. «Und wir bringen sie dazu, zwischen den Bäumen Melonen oder Erbsen anzubauen», ergänzt Zingizi.

Auch wenn Zingizi zuvor schon grossen Wert auf nachhaltige Aspekte legte, spielte das Neycha-Bootcamp für sie eine entscheidende Rolle: «Ich habe zum ersten mal von diesem ganzheitlichen Konzept der Agrarökologie erfahren.» Auch in Sachen Unternehmensführung habe sie sehr viel dazu gelernt: «Es fühlte sich an, als hätte ich einen Master of Business Administration in nur einer Woche abgeschlossen!» Ihr Traum: Eine Fabrik an der Küste, wo Angestellte die Cashewnüsse verarbeiten. Solche Arbeitsplätze wären für viele Menschen ein sicherer Weg aus der Armut. Zingizi sagt: «Das ist meine Motivation»

Joseph Nkandu und Miswaleh Zingizi sind Beispiele, wie es Biovision gelingt, zusammen mit Unternehmer:innen ein förderliches Umfeld für die agrarökologisch produzierenden Kleinbäuerinnen und -bauern zu schaffen. Dies darf erst der Anfang sein.

«Wir kommen kaum hinterher, die Nachfrage zu befriedigen!»; Verarbeitung der Cashewnüsse in Zingizis Wohnstube.

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