Thriller im Maisfeld

Von

Peter Lüthi, Projektreporter

In Ackerböden und Feldern tobt ein Kampf auf Leben und Tod. Zumindest auf den Push-Pull-Feldern Ostafrikas gewinnen die Nützlinge Oberhand über die Schädlinge. Entscheidend dafür ist die Kommunikation unter Pflanzen, aber auch zwischen Pflanzen und Insekten.

Wie Schläfer lauern Tausende mikroskopisch kleiner Samen des Striga-Unkrauts in jeder Handvoll Ackerboden und warten. Sobald die Zeit reif, beginnen sie zu keimen. Sie strecken ihre Wurzeln nach der nächsten Mais- oder Hirsepflanze, dringen in deren Wurzeln ein und entziehen der Pflanze Wasser und Nährstoffe, sodass diese am Wachstum gehindert wird und verkümmert. Das Unkraut aber gedeiht, bildet schöne violette Blüten und produziert eifrig Samen der nächsten Generation.

Auf Ostafrikas Push-Pull-Feldern (push = vertreiben, pull = anlocken) aber hat die gefürchtete Striga eine Gegenspielerin, die ihr an Raffinesse und Schlagkraft überlegen ist: Desmodium. Die Leguminose (Hülsenfrüchtler) setzt auf taktische Verwirrung und ein Arsenal an chemischen Kampfstoffen, die sie über die Wurzeln gezielt aussendet. Sie attackiert das Unkraut unter der Erde mit zwei Kombinationen verschiedener pflanzenchemischer Verbindungen.

Mit der ersten lockt sie die Striga aus der Deckung, indem sie deren Samenkeimung stimuliert. Mit der zweiten greift sie die spriessenden Wurzeln an und verhindert so das Andocken des Parasiten an die Maispflanze. Die Striga hat keine Chance: Sie geht ein, bevor sie wachsen und sich vermehren kann. Mit Desmodium können Ackerböden binnen vier Jahren vom verheerenden Striga-Unkraut befreit und damit massive Ernteeinbussen langfristig verhindert werden.

Desmodium und Elefantengräser schützen Nutzpflanzen und den Boden

Die Leguminosen haben aber noch weitere Vorteile. Dank den Knöllchenbakterien in ihren Wurzeln binden sie Stickstoff aus der Luft. Mit dieser natürlichen Düngung helfen sie, die Bodenfruchtbarkeit aufzubauen und zu erhalten. Als ständige Bodenbedecker schützen sie zudem wirksam vor Erosion und Austrocknung. Über der Erdoberfläche hält Desmodium mit seinem Duft Insekten wie die schädliche Stängelbohrermotte davon ab, ihre Eier auf den Kulturpflanzen abzulegen. So bleiben Mais und Sorghumhirse vor den gefrässigen Larven verschont, die dort schlüpfen, sich in ihre Stängel bohren und diese von innen zerstören würden.

Damit nicht genug: Auf Push-Pull-Feldern werden  weitere Begleitpflanzen rund um die Felder kultiviert, die mithelfen, Schädlinge mittels flüchtiger Botenstoffe in Schach zu halten. Während Mais oder Hirse vor allem nachts durch ihren Duft ungewollt Stängelbohrermotten anziehen, verströmen Gräser wie das Elefantengras am Feldrand ihren Wohlgeruch bereits früher in der Abenddämmerung. So locken sie die schädlichen Insekten frühzeitig aus dem Feld. Die Motten fliegen an den Rand des Ackers und legen ihre Eier auf die klebrigen Blätter der Gräser – dort bleibt die Brut haften und verdirbt.

Pflanzen senden SOS-Signale

Die ausgeklügelte Anbaumethode baut darauf, dass Pflanzen kommunizieren können und zwar mit Schädlingen und auch Nützlingen sowie mit anderen Pflanzen. «Viele wilde Grasarten haben gewiefte Strategien entwickelt, um sich und ihre Nachbarpflanzen vor Schädlingen zu schützen», erklärt der Vater der Push-Pull-Methode, Professor Zeyaur Khan vom internationalen Insektenforschungsinstitut icipe in der kenianischen Forschungsstation in Mbita am Viktoriasee.

«Elefantengras verfügt über die spezielle Fähigkeit, mit chemischen SOS-Signalen die natürlichen Feinde der Insektenschädlinge herbeizurufen», erläutert der Insektenforscher. Im Fall des Stängelbohrers sind das parasitäre Schlupfwespen, die ihre Eier in die Mottenlarven legen. Diese werden darauf von den Wespenlarven gefressen. «Die Gräser können bei Schädlingsangriffen sogar ihre pflanzlichen Nachbarn vorwarnen, die dann ihrerseits ebenfalls SOS-Signale aussenden», so Khan.

Und das ist noch nicht alles, wie der Wissenschaftler weiter ausführt: «Im Unterschied zu modernen hybriden Maissorten sind alte traditionelle Arten in der Lage, diese Botschaften ebenfalls zu empfangen und zu lernen, selber Signale auszusenden.»

«Der Boden ist die Mutter der Pflanzen»

Trotz aller wissenschaftlich ausgeklügelten Methoden, die er propagiert, kommt Professor Zeyaur Khan im regelmässigen Austausch mit Bäuerinnen und Bauern immer wieder auf die Basis aller erfolgreichen Landwirtschaft zu sprechen: «Der Boden ist die Mutter eurer Pflanzen», legt er ihnen jeweils ans Herz. «Wenn ihr einen gesunden Boden habt, werdet ihr auch gesunde Pflanzen haben, die mehr produzieren. Nur so könnt ihr euer Land für eure Kinder erhalten».

Chapeau, Herr Professor!

Seit 30 Jahren entwickelt der Insektenforscher Prof. Zeyaur Khan die von ihm entwickelte Push-Pull-Methode unermüdlich weiter und passt sie immer neuen Herausforderungen an – etwa den Folgen des Klimawandels oder neu auftretenden Schädlingen. So ist es ihm und seinem Team beispielsweise gelungen, die chemische Zusammensetzung von Botenstoffen zu bestimmen, wodurch wir die die Kommunikation zwischen Pflanzen besser verstehen können. Dem preisgekrönten Forscher und langjährigen Projektpartner von Biovision gebühren grosse Anerkennung und Dank für seine äusserst wertvolle Arbeit im Dienst afrikanischer Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.

Biovision unterstützt Prof. Khan und sein Team seit 20 Jahren bei der Weiterentwicklung und Verbreitung der Push-Pull-Methode, die Ernteerträge verdoppeln bis verdreifachen kann und so bereits vielen Tausend Kleinbäuerinnen und Kleinbauern geholfen hat, ihre Existenz auf sichere Beine zu stellen.

Portrait von icipe-Insektenforscher Professor Zeyaur Khan

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