«Ich möchte wie eine brennende Kerze sein»

Von

Peter Lüthi, Biovision

Dr. Samira Mohamed ist Forscherin beim icipe in Nairobi. Im Studium verstand sie erst kein Wort – heute ist sie preisgekrönte Wissenschaftlerin.
Forscherin Samira Mohamed erklärt einer Bauernfamilie ökologische Schädlingsbekämpfung
Dr. Samira Mohamed im Gespräch mit Bäuerinnen und Bauern über ökologische Schädlingsbekämpfung

Ihre Herzlichkeit ist ansteckend. Damit vermag Samira Mohamed Wärme selbst in Forschungslabors voller Motten und Maden zu zaubern. Frau Dr. Mohamed ist Agronomin mit Spezialisierung auf Pflanzenschutz und Insektenkunde beim internationalen Insektenforschungsinstitut icipe in Nairobi, Partnerorganisation von Biovision. Hier wurde sie 2020 für ihre Forschungserfolge in der integrierten Schädlingsbekämpfung als «Outstanding professional staff» ausgezeichnet. Ihre umweltfreundlichen Lösungsansätze werden auch in den von Biovision unterstützten Projekten gegen invasive Fruchtfliegen und die Tomatenminiermotte angewendet.

Samira Mohamed wurde in El-timairab geboren, einem kleinen Bauerndorf im Sudan. «Mein genaues Geburtsdatum wurde nie aufgeschrieben», sagt sie lächelnd. «In meinem Pass steht einfach Januar 1963.» Ihr Vater baute Baumwolle an für den Export und Sorghumhirse, Ackerbohnen und Weizen für den Eigenbedarf wie für den Verkauf. Ihre Mutter hielt eine kleine Ziegenherde. «Ich musste Feuerholz sammeln und Wasser holen, aber das Leben war gut, es fehlte uns an nichts», erinnert sich Samira Mohamed.

Ihre Eltern legten grossen Wert auf die Schulbildung ihrer vier Kinder – insbesondere der beiden Töchter. «In der Primarschule war ich die Kleinste, aber stets die Klassenbeste», erzählt Samira und lächelt verschmitzt. Sie erinnert sich an den weiten Schulweg ins Nachbardorf bei kalten 8° Celsius. Im Laufe des Tages konnte das Thermometer dann weit über 30° steigen, manchmal gar bis 48°. Nie vergessen wird sie einen Tag mit extremen Niederschlägen: «In den Wadis stieg das Wasser höher und höher», erzählt sie. «Schliesslich mussten wir Kinder in ein Boot steigen, das uns in einer fünfstündigen Fahrt in die Schule fuhr.»

Eine Stiftung für Mädchen und Frauen

Der Start ihres Agronomiestudiums an der Universität von Gezira war ein Desaster. «Ich verstand kein Wort, denn ich konnte nur Arabisch, die Vorlesungen waren aber in Englisch», erzählt sie. Samira Mohamed erlernte die englische Sprache während des Studiums und spezialisierte sich später auf den Pflanzenschutz. «Nach zehn Semestern war ich die Nummer eins in meinem Fach», meint sie augenzwinkernd.

1996 zog sie für ihr Masterstudium nach Wageningen in den Niederlanden, darauf arbeitete sie als leitende Entomologin auf der Forschungsstation Hudeiba im Sudan – als einzige Frau in dieser Position. Nach Erlangung des Doktortitels kam sie 2007 ans icipe.

«Nairobi ist meine zweite Heimat geworden», sagt Samira Mohamed. Aber in ihrem Herzen bleibt sie eng verbunden mit ihrer Familie und dem Sudan. Nach ihrer Pensionierung gedenkt sie, sich in Khartum niederzulassen, wo auch ihr älterer Bruder lebt, der sie während ihrer Studienzeit finanziell unterstützte. Dort will sie eine Stiftung zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und Frauen für eine Laufbahn als Wissenschaftlerinnen gründen. «Ein arabisches Gedicht besagt, dass man mit der Bildung eines Mädchens beziehungsweise einer Mutter eine ganze Nation erzogen hat», erklärt sie.

Dr. Samira Mohamed präsentiert eine der Klebeduftfallen gegen die Tomatenminiermotte
Dr. Samira Mohamed

Dr. Samira Mohamed präsentiert eine der Klebeduftfallen, die gegen die Tomatenminiermotte (Tuta absoluta) erfolgreich eingesetzt wird.

«Ein arabisches Gedicht besagt, dass man mit der Bildung eines Mädchens beziehungsweise einer Mutter eine ganze Nation erzogen hat. Ich möchte wie eine brennende Kerze sein, die anderen Licht gibt.»
Dr. Samira Mohamed, Forscherin am icipe

icipe – ein starker Partner in Afrika

Das icipe ist das einzige auf die Erforschung von Insekten spezialisierte Forschungsinstitut auf dem afrikanischen Kontinent mit internationaler Ausstrahlung. Das Institut ist weltweit als Kompetenzzentum anerkannt und geschätzt, da es sich der wissenschaftlichen Erforschung von Gliederfüsslern (Arthropden) widmet, zu welchen das grosse Universum von Insekten, also Nützlingen wie auch Schädlingen in der Landwirtschaft, aber auch Krankheitsüberträger wie Malaria-Mücken oder Zecken gehören.

Forscher in Gewächshaus mit Blumen

Weitere Beiträge

Landwirtschaft

«Das Einbinden der Bäuerinnen ist der Schlüssel zu unserem Erfolg»

Seit 20 Jahren engagieren sich Esther Lupafya und Rachel Bezner Kerr gemeinsam für gesunde Ernährung in Malawi. Im Gespräch erzählen die Gründer:innen der Biovision-Partnerorganisation SFHC über Geschlechternormen und die Kraft von Wissensaustausch und partiziaptiver Forschung.
Landwirtschaft

Ernährungssicherheit im ländlichen Äthiopien

Im Südwesten Äthiopiens kämpfen ländliche Haushalte gegen den Verlust ihres Bodens und gegen Ernteausfälle. Zusammen ergreifen sie Massnahmen, um die Erosion einzuschränken, und durch Diversifizierung der Einkommensquellen sichern sie sich gegen Krisen ab.
Politik

Beschönigende Worte des Bundesrates

Replik von Biovision zur Stellungnahme von Bundesrätin Viola Amherd namens des Bundesrates auf Radio SRF1 vom 27. Mai 2021.
Landwirtschaft

Frauen sind der Schlüssel zu nachhaltigen Ernährungssystemen

Die Forschung zeichnet ein eindeutiges Bild: Um Hunger und Armut wirksam zu bekämpfen, müssen wir die starre Rollenteilung von Mann und Frau aufbrechen – auf den Bauernhöfen, in den Verarbeitungsbetrieben und am Esstisch.