Schreckgespenst in Kenia und in der Schweiz: die Tomatenminiermotte

Von

Claire Müller, freie Autorin

Diese aus Südamerika stammende Schmetterlingsart «Tuta absoluta» wurde innerhalb weniger Jahre zum Schreckgespenst der Tomatenproduzenten weltweit. Heute gibt es wirksame ökologische Methoden, wie auch ein Besuch im Tomaten-Kanton Genf zeigt.

Schon ihr Name klingt furchteinflössend. Die Schmetterlingsart Tuta absoluta, auch Tomatenminiermotte genannt, tauchte 2009 erstmals in der Schweiz auf, sehr wahrscheinlich eingeschleppt über ausländische Importtomaten, die für unsere Supermärkte bestimmt waren. Im Kanton Genf, wo 20% der schweizerischen Tomaten produziert werden, breitete sich dieses aus Südamerika stammende Insekt in Windeseile aus. Danach verschwand es fast vollständig, bis es 2018 plötzlich wieder auftauchte und in mehreren Gewächshäusern beträchtlichen Schaden anrichtete. «Die Motte übernahm innerhalb weniger Wochen die Herrschaft über ein ganzes Gewächshaus, was zu enormen Ertragseinbussen führte», berichtet Gaëtan Jaccard, der die Genfer und Waadtländer Bauern im Auftrag der Fachstelle für Obst- und Gemüsebau berät und begleitet.

Der Entomologe Serge Fischer hat einen Teil seiner wissenschaftlichen Laufbahn an der Forschungsanstalt Agroscope in Changins den Schädlingen unter den Insekten gewidmet, darunter ganz besonders der Tuta absoluta. «Diese Motte mag Wärme und ist daher bestens an die Lebensbedingungen im Gewächshaus angepasst, wo sie – verpuppt – den Winter vor Frost geschützt verbringt. Sie schlüpft, sobald die Temperaturen steigen, und zwar genau dann, wenn die Tomaten zu keimen beginnen. So findet sie sofort Nahrung und kann sich vermehren.»

Gut getarnt und fruchtbar

Die Tuta absoluta ist perfekt getarnt, ein grosser Vorteil gegenüber anderen Motten und Wanzen, die den Gemüsebauern ebenfalls Respekt einflössen. «Dieser nachtaktive Kleinschmetterling bleibt trotz seiner 5 bis 7 mm Länge unsichtbar, solange man keine Pheromonfallen zur biologischen Bekämpfung aufstellt», erklärt Serge Fischer. So legen die Weibchen ihre Eier ungestört auf der Unterseite der Blätter ab, und die Larven dringen nach dem Schlüpfen sofort in die Pflanze ein. «Sie graben Gänge, die rasch grosse Teile der Pflanzen durchdringen und damit jede Photosynthese verhindern, was deren Wachstum verlangsamt.» Danach befallen sie die Früchte, die dadurch unverkäuflich werden. Ein weiterer <Trumpf> der Tuta absoluta ist ihre überdurchschnittlich rasche Vermehrung – ein Weibchen legt bis zu 250 Eier.

«Dieser nachtaktive Kleinschmetterling bleibt trotz seiner 5 bis 7 mm Länge unsichtbar, solange man keine Pheromonfallen zur biologischen Bekämpfung aufstellt.»
«In Subsahara-Afrika hat das internationale Insektenforschungsinstitut icipe mit Unterstützung von Biovision diverse Methoden der biologischen Schädlingsbekämpfung mit einer parasitoiden Wespenart entwickelt, die aus Südamerika stammt, aber in Kenia und Uganda verbreitet und damit an die lokalen Bedingungen angepasst ist.» Auch in der Schweiz versucht man, Hilfsinsekten wie die Macrolophus einzusetzen, eine Raubwanze, die sich als ausgezeichnete Verbündete der Gemüsebäuerinnen und -bauern erwiesen hat, um Milben, Weisse Fliegen und Schmetterlinge zu eliminieren. «Diese Wanze ist eine effiziente Gegnerin der Tuta», bestätigt Samuel Hauenstein vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. «Sie muss aber in ausreichender Zahl eingesetzt werden, nämlich mit ein bis zwei Wanzen pro Quadratmeter, und sie braucht optimale Lebensbedingungen.» In den letzten Jahren waren die Gemüsebauern in der Schweiz gezwungen, auf Insektizide zurückzugreifen. Es sind zwar natürliche Mittel, die im biologischen Landbau zugelassen sind, doch sie beeinträchtigen auch die Nützlinge – ein Problem, auf das Biovision auch im Projekt zur Bekämpfung der Tomatenminiermotte in Kenia gestossen ist.

Schutz durch Verwirrung

«Zum Glück ist heute die Methode der <sexuellen Verwirrung> bei der Bekämpfung der Tuta absoluta in der Schweiz zugelassen», freut sich Gaëtan Jaccard. Seit zwei Jahren ist das Ausbringen von Pheromon-Fallen erlaubt. Die Männchen werden von den weiblichen Duftstoffen der Motten angelockt und bleiben an den Fallen kleben, sodass die Paarung verhindert wird. Diese Methode wird zwar im Obst- und Weinbau schon seit 25 Jahren angewendet, musste aber für für den Gemüseanbau erst getestet werden. Die Zulassung von Methoden der Schädlingsbekämpfung ist ein langwieriger Prozess, in den unterschiedliche Daten etwa zur Wirkung untersucht und einbezogen werden müssen. Zwar ist die Bekämpfung mittels Einsatz von Pheromonfallen teuer, da das Anbringen der Fallen zeitaufwendig ist, aber die Produzentinnen und Produzenten können dank ihr den verheerenden Schädling unter Kontrolle halten – und damit allen Beteiligten entlang der Tomaten-Lieferkette in der Schweiz mehr Sicherheit bieten.

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