«Ich möchte eine Beratungsagentur gründen»

Von

Fabian Kohler, Biovision

Das länderübergreifende Seminar ITCOA zu ökologischer Landwirtschaft konnte auch 2020 erfolgreich in Kenia, Uganda und Tansania durchgeführt werden. Wir haben Teilnehmerin Dendry Hellen Oswago gefragt, wie sie das Seminar erlebt hat – und wie sie ihre Zukunft sieht.
Portrait von Dendry Hellen Oswago Teilnehmerin am ITCOA

 

Dendry Hellen Oswago (22 Jahre), ist im westlichen Teil Kenias, früher bekannt als Provinz Nyanza, im heutigen Kisumu County, aufgewachsen. Diese Region ist vor allem für den beeindruckenden Viktoriasee bekannt – aber auch aufgrund dessen grosser Umweltproblemen. Die einheimische Fischpopulation ist praktisch verschwunden – vernichtet durch eingeführte, invasive Spezies. Hinzu kommt eine prekäre Wasserverschmutzung mit Chemikalien und Düngemitteln aus der Landwirtschaft.

Das Wissen um dieses ökologische und soziale Desaster motivierte Dendry Hellen Oswago umweltfreundliche, landwirtschaftliche Praktiken zu finden, welche die Verschmutzung des Sees reduzieren, um damit die Regeneration dieses angeschlagenen Ökosystems zu beschleunigen. Deshalb begann sie mit dem Studium der Lebensmittelwissenschaften an der Universität in Nairobi und bewarb sich für das Seminar zu ökologischer Landwirtschaft ITCOA (International Training Course on Organic Agriculture) – ein Projekt, welches seit vielen Jahren von Biovision unterstützt wird. Im vergangenen Herbst war Dendry eine von 48 ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des länderübergreifenden Intensivkurses, der in Kenia, Uganda, und Tansania angeboten wurde. Wir haben Dendry ein paar Fragen gestellt, welche uns die junge Frau gerne beantwortet hat.

Landwirtschaftsseminar

Biovision unterstützt ITCOA seit 2010. Bis heute wurden mehr als 400 junge Forschende und Berufseinsteigende ausgebildet, damit sie als Agenten des Wandels der Landwirtschaftssysteme Ostafrikas wirken können. Eine der Teilnehmerinnen war auch Janet Maro, die spätere Gründerin und heutige Co-Direktorin von «Sustainable Agriculture Tansania SAT», der heute wichtigsten Ausbildungsstätte für nachhaltige Landwirtschaft in Tansania.

Was sind deiner Meinung nach die grössten Herausforderungen für Kleinbauern in Kenia?

«Bäuerinnen in den semiariden und ariden Regionen des Landes sind stark betroffen von unvorhersehbaren und ungünstigen klimatischen Bedingungen, die einen grossen Effekt auf die Qualität ihrer Produkte haben. Der Zugang zu qualitativ hochstehenden landwirtschaftlichen Inputgütern wie Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Saatgut ist stark eingeschränkt, weshalb die Leute oft auf billige und gefährliche Alternativen zurückgreifen. Neben der Gefährdung ihrer Gesundheit und der Umwelt, werden sie abhängig vom Einsatz dieser Produkte, was sie in finanzielle Probleme und Armut drängt. Der Mangel an Zugang zu Technologien, Innovationen, Ausbildung und Wissen über ökologische Anbaumethoden hat zur Folge, dass die Produzenten bei ihren ineffizienten und umweltschädlichen Praktiken verbleiben.»

Welche Chancen und Möglichkeiten siehst du für die Kleinbauern in Kenia?

«Die Bauern in Kenia haben das traditionelle Wissen über die Landwirtschaft ihrer Vorfahren noch nicht vergessen. In Kombination mit umweltfreundlichen Technologien und Innovationen ist dieses Wissen eine wertvolle Ressource, um die Lebensmittelproduktion auf nachhaltige Weise zu verbessern.»

Wie hilfreich war das Landwirtschaftsseminar (ITCOA) für dich, um dein Wissen über ökologische Landwirtschaft zu vertiefen?

«Durch das Landwirtschaftsseminar habe ich verstanden, wie die natürlichen Kreisläufe landwirtschaftlicher Systeme funktionieren und wie die konventionelle Landwirtschaft diese Kreisläufe stört und die Umwelt schädigt. Besonders geblieben ist mir die Erkenntnis, dass es für die agrarökologische Produktion förderlich ist, wenn Bäuerinnen sich bemühen die Natur nachzuahmen. So bleiben die natürlichen Kreisläufe eher erhalten, die Biodiversität gedeiht und die Böden bleiben längerfristig fruchtbar. Im Seminar wurde gut aufgezeigt, wie dies durch die Kombination neuer umweltfreundlicher Technologien zusammen mit traditionellem Wissen gut machbar ist.»

Welche theoretischen und praktischen Kenntnisse nimmst du für dich aus ITCOA mit?

«ITCOA gab mir ein vertieftes Verständnis über die ökologische Landwirtschaft und förderte mein systemisches Denken auch hinsichtlich der Wertschöpfungsketten. Ausserdem stärkte das Seminar mein unternehmerisches Denken und vermittelte mir wertvolle Ideen im Bereich Marketing.

Aus dem Feldkurs nehme ich vor allem Wissen und Techniken zur ökologischen Düngung und der Herstellung ebensolcher Futter- und Pflanzenschutzmitteln mit. Dies sind die Grundlagen einer umweltverträglichen Produktion. Durch den Einsatz dieser Methoden und Produkte können auch die Kosten der Lebensmittelproduktion gesenkt und die Ernährungssicherheit verbessert werden. Dies trägt massgeblich zur Gesundheit und dem Wohlbefinden der Bevölkerung bei. Ausserdem wurden uns verschiedene Methoden zur Verarbeitung und Konservierung landwirtschaftlicher Produkte beigebracht. So bleiben diese länger haltbar und ihr Marktwert kann gesteigert werden.»

Wie sieht deine Zukunft aus? Wo siehst du dich in 5 bis 10 Jahren?

«Ich möchte eine Beratungsagentur gründen, um Kleinbäuerinnen bei ihrer nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft zu unterstützen. Rund um die Verarbeitung von Nahrungsmitteln möchte ich mir weiteres Wissen aneignen. Dies würde mir ermöglichen, die Produzenten bei der Produktediversifizierung für ihr Obst und Gemüse gut zu beraten, damit sie eine höhere Wertschöpfung und somit mehr Einkommen erzielen können. Sehr gerne würde ich auch mit Schulen zusammenarbeiten, um Schülerinnen für eine nachhaltige Landwirtschaft zu sensibilisieren und zu inspirieren.

Ich bin dankbar, jetzt Teil des Alumni-Netzwerks von ITCOA zu sein. Dies ist eine ausgezeichnete Plattform, um verbunden zu bleiben, Wissen zu teilen, von neuen Erfahrungen zu profitieren und uns gegenseitig zu motivieren. Gerne möchte ich dieses Netzwerk nutzen, um meine Ziele und Projekte umzusetzen und mich gemeinsam mit meinen Mitstreitern für die Agrarökologie weit über Ostafrika hinaus stark zu machen.»

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