Grünes Comeback 

Von

Lothar J. Lechner Bazzanella (Text) und Maheder Haileselassie (Bilder)

Hart und staubtrocken war der Boden einst, heute wachsen hier im Süden Äthiopiens wieder Bäume. Doch was braucht es, um ausgetrocknetes Land in fruchtbare Erde zu verwandeln? Zayineba Hashim Bultuma kennt den Weg dorthin – Setzling für Setzling hat sie ihn selbst mitgestaltet.

Entschlossen steigt Zayineba Hashim Bultuma den steilen Hang hinauf. Die weisse Sonne steht hoch, es ist brütend heiss und nicht einfach, zwischen den hohen Gräsern einen festen Stand zu finden. Schritt für Schritt wandert Bultuma – dünnen Gehstock in der Hand – weiter nach oben. Die jungen Bäume links und rechts von ihr geben dabei immer wieder wichtigen Halt. Endlich auf dem kleinen Plateau angekommen, dreht sie sich um und lässt den Blick über die grünen Weiten vor sich schweifen. «Noch vor einigen Jahren wuchs hier praktisch gar nichts», erklärt sie leicht ausser Atem: «Das Land war tot. Wir haben es wieder lebendig gemacht.»

Mit Land meint Bultuma hunderte Hektaren an Feldern und Wäldern im Südosten Äthiopiens, hier am Fusse des über 4000 Meter hohen Chilalo, einem vor Jahrtausenden erloschenen Vulkan. Was einst fruchtbarste Erde war, musste über die vergangenen Jahrzehnte Abholzung, Dürren und Viehhaltung Tribut zollen: Der Boden verkümmerte, Wasser konnte im steilen, bergigen Gelände nicht mehr in der Erde versickern, junge Bäume hatten keine Chance nachzuwachsen und stark genutzte Wege verwandelten sich durch Erosion in metertiefe, staubtrockene Risse; an nachhaltige Landwirtschaft war vielerorts gar nicht zu denken.

Zayineba Hashim Bultuma am Hang, der einst karg und ausgetrocknet war. Heute wachsen hier Bäume und hohe Gräser.

Zehntausende Setzlinge

Dann aber wurden im Rahmen eines Projekts von Biovision und der Meki Catholic Church Schritt für Schritt Massnahmen getroffen, um die Bodenfruchtbarkeit wieder herzustellen: Die Dorfgemeinschaften unweit der Stadt Assela begannen, degradierte Flächen systematisch aufzuforsten. Zehntausende Baumsetzlinge wurden verteilt und gepflanzt und nachhaltige Techniken der Weidewirtschaft eingeführt, um die Vegetation langfristig zu schützen. Tiefe Risse wurden mit Gräben, Kanälen und Terrassen gefestigt, sodass Regenwasser langsam versickert, anstatt ungenutzt abzufliessen und dabei Erde, Felder und Ernten wegzuspülen.

Clevere Techniken beleben das Land: In horizontal verlaufenden Gräben sammelt sich Wasser und kann versickern.

Ein zentraler Bestandteil des Projekts war, dass sich Bäuerinnen und Bauern zu sogenannten Natural-Resource-Management-Gruppen zusammenschlossen. Diese bewirtschaften die Weide- und Anbauflächen gemeinschaftlich und nachhaltig. Sie lassen neue Wälder entstehen, pflegen sie und stabilisieren das Gelände.

Zayineba Hashim Bultuma ist seit vier Jahren Teil genau einer solchen Gruppe: «Wir haben Baum für Baum gepflanzt und können heute bereits in deren Schatten rasten. Und auch die Gräben dort vorne haben wir ausgehoben.» Dabei schaut sie auf die braunen Mulden, die sich wie Arterien durch einen gegenüberliegenden Hang ziehen. Kommt der Regen, bremsen sie den Wasserfluss und sorgen dafür, dass sich das wertvolle Nass länger im Erdreich hält.

Erfahren Sie im Video mehr über die Ziele des Projekts.

Spargruppen als wichtiger Teil des Erfolgs

Doch nicht nur das Land hat sich verändert – auch manche wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in den Dörfern sind im Wandel. «Besonders spannend am Projekt ist, dass wir auf ganz verschiedene Hebel setzen, um langfristige Veränderungen zu ermöglichen», erklärt Rani Nguyen, der bei Biovision für die Aktivitäten vor Ort verantwortlich ist. Denn die Herausforderungen sind vielschichtig: Degradierte Böden, unregelmässige Regenfälle, fehlende Einkommensquellen und begrenzter Marktzugang verstärken sich gegenseitig: «Es reicht nicht, nur Setzlinge zu verteilen oder Gräben auszuheben. Damit die Erfolge nachhaltig sind, müssen ökologische, wirtschaftliche und soziale Massnahmen Hand in Hand gehen.» 

Ein Beispiel dafür sind die Savings and Internal Lending Communities – also eine Art gemeinschaftliche Spar- und Kreditgruppen. Im Rahmen des Projekts wurden bis heute über 40 davon gegründet.  

Die Idee dahinter ist simpel: Die Mitglieder zahlen regelmässig kleine Beträge in eine gemeinsame Kasse ein. In festgelegten Abständen erhält jedes Mitglied eine Auszahlung, mit der es beispielsweise Saatgut kaufen, landwirtschaftliche Geräte finanzieren oder kleine Geschäftsideen umsetzen kann. So entsteht eine gewisse finanzielle Absicherung für Menschen, die sonst kaum Zugang zu traditionellen Finanzdienstleistungen haben. Banken sind in diesen ländlichen Gebieten oft nicht präsent – unter anderem, weil die Kleinbäuerinnen und -bauern häufig keine klassischen Sicherheiten bieten können oder kein regelmässiges Einkommen haben. 

Schulgeld sichern und Nebeneinkommen ermöglichen 

Auch Zayineba Hashim Bultuma ist Teil einer solchen Gruppe: «Früher hätte ich nicht gewusst, woher ich das Schulgeld für meine Kinder nehmen soll. Jetzt kann ich Schulbücher kaufen und ihnen eine Ausbildung ermöglichen.»  

Zusätzlich nutzt Bultuma das Geld aus der Spargruppe für kleine Investitionen: «Ich kaufe manchmal Gemüse ein und verkaufe es mit Gewinn auf dem Markt.» Dieses Microtrading sichert ihr ein zusätzliches Nebeneinkommen. Bultuma setzt sich seither auch mit Finanzen und Ersparnissen auseinander, erzählt sie. Und auch das Wissen über landwirtschaftliche Praktiken, das sie in den verschiedenen Projekt-Schulungen erhalten hat, zahlt sich heute für sie aus. Von ihrem Vater hat sie einen halben Hektar Land geerbt: Dort setzt sie das Gelernte um, pflanzt vielfältiger und nutzt biologische Methoden sowie verbesserte Saatgutsorten: «Ich habe verstanden, dass es einen Unterschied macht, wie ich anbaue – für heute, aber auch für die kommenden Jahre.» 

Zayineba Hashim Bultuma,38, belongs to Wolda Bishan Qulqulu informal saving SILC group for women. Here she is photographed in a teff farm, a crop for a injera, a staple food for Ethiopia.
«Früher hätte ich nicht gewusst, woher ich das Schulgeld für meine Kinder nehmen soll. Jetzt kann ich Schulbücher kaufen und ihnen eine Ausbildung ermöglichen.»
Zayineba Hashim Bultuma

Neue Wälder wachsen 

Die Erfolge der Projektarbeit aus den letzten Jahren können sich bereits heute sehen lassen: Bisher wurden knapp 20‘000 Bäume gepflanzt, die mit ihren Wurzeln nicht nur den Boden festigen, sondern auch als Obstbäume dienen. Dutzende Gräben wurden ausgehoben, hunderte Bäuerinnen und Bauern erhielten verbessertes Saatgut und Schulungen in nachhaltiger Landwirtschaft und Viehhaltung.  

Besonders sichtbar sind die Veränderungen in der Landschaft selbst: Wo einst kahle Hänge austrockneten und wegbrachen, breiten sich heute kniehohe Gräser und kleine Wälder aus. Tiefe Risse haben sich langsam mit Erde gefüllt. Der Boden ist wieder in der Lage, Feuchtigkeit aufzunehmen – und kann diese nun auch über mehrere Monate der Trockenzeit hinweg besser halten. Obst und Gemüse kann wachsen, das Mikroklima verbessert sich schrittweise. 

Kaum vorstellbar: Noch vor wenigen Jahren lag dieses Land brach – heute wächst an diesem Hang ein junger Wald.

Das wohl eindrucksvollste Beispiel für den Erfolg des Projekts findet man jedoch, wenn man in eine kleine Schlucht steigt, nicht weit entfernt von der Stelle, wo Bultuma gerade steht. Aus der Ferne klingt es noch wie ein leises Murmeln, doch schnell schwillt es zu einem stetigen Rauschen an. Jahrzehntelang versiegt, sprudelt hier heute aus dem braunen Felsen wieder eine Quelle, die einen kleinen Bach speisst. «Das Wasser ist ein Beweis dafür, dass die Massnahmen sich auszahlen. Es funktioniert. Wir werden weitermachen.» 

Die Natur bedankt sich: Jahrzehntelang versiegt, führt eine Quelle heute wieder wertvolles Wasser.

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