«Zurzeit liefern wir in Nairobi jede Woche 100 bis 150 Körbe mit biologisch produziertem Gemüse aus», erzählt Sylvia Kuria stolz. Die Unternehmerin und Bäuerin betreibt im Zentrum Nairobis einen kleinen Bio-Laden, und dieser platzt buchstäblich aus allen Nähten. Das Gemüse stammt von Kurias Farm und von Bauerngruppen, mit denen sie faire Abnahmeverträge geschlossen hat und die sie auch in der Weiterbildung unterstützt.
Auch Gregory Kimani ist vielbeschäftigt: Seine Organisation «City Shamba» («Stadtgarten») hat sich ganz dem Urban Farming verschrieben. Er und seine Mitarbeiter:innen, alle zwischen 20 und 30 Jahren alt, legen in ärmeren Quartieren Nairobis Hinterhofgärten an. Dazu verkaufen sie Hochbeete aus Recycling-Material und geben ihr Wissen zu Grundlagen wie Kompost und Saatgut weiter.
Aus Abfall wird Nahrung
James Kagwe schliesslich hat ausserhalb von Naivasha, zweieinhalb Autostunden nördlich von Nairobi, einen „essbaren Wald“ angelegt, einen grossen Gemüse- und Früchtegarten durchsetzt mit Obst- und anderen Bäumen – alles nach agrarökologischen Prinzipien. Dazu baut er ein Ausbildungszentrum für Agrarökologie, die Gebäude bestehen zu 80% aus Abfall. Mit diesem hat seine Geschichte angefangen: Er begann, die Strassen seines Quartiers davon zu säubern. Heute betreibt er ein ausgeklügeltes Recyclingsystem und produziert grosse Mengen wertvoller Komposterde.
Kuria, Kimani und Kagwe stehen für drei von vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen, die zeigen: Ostafrika ist in Bewegung. Und die Notwendigkeit einer agrarökologischen Wende dringt nach und nach in die Mitte der Gesellschaft.
Von kritischen Nachfragen am Gemüsestand bis zur Verabschiedung von Agrarökologie-Gesetzen: In Kenia und umliegenden Ländern zeigt sich in den letzten Jahrenein stark gewachsenes Bewusstsein für gesunde und nachhaltig produzierte Ernährung. Unsere Infografik stellt dar, was sich in Kenia und den umliegenden Ländern bewegt.
Umdenken am Marktstand
Im Herbst 2021 hat die von Biovision mitunterstützte Online-Konferenz «Shamba Jijini» (Swahili für Urban Farming) zahlreiche Einzelinitiativen aus dem städtischen Umfeld zusammengeführt, auch die eingangs genannten Pionier:innen waren dabei. Die über 50 Teilnehmenden waren sich einig: In den letzten Jahren ist viel in Bewegung gekommen – und es ist wichtig, untereinander Wissen auszutauschen und Kräfte zu bündeln.
Diese Pionier:innen treffen auf ein wachsendes Interesse aus Wirtschaft, Forschung und Politik. Das neue Bewusstsein zeigt sich auch deutlich auf Konsument:innen-Seite: Viele Menschen in Ostafrika fragen sich heute, ob das Gemüse, das auf dem Markt verkauft wird, wirklich so gesund ist.
Widerstand gegen die Zulassung hochgiftiger Pestizide
Rückstandsprüfungen liefern oft alarmierende Resultate – noch heute sind viele Pflanzenschutzmittel zugelassen, die in Europa, den USA und anderswo längst verboten sind. Auf starken Druck der Zivilgesellschaft hin – eine Petition hat vor zwei Jahren ein grosses Medienecho ausgelöst – überprüft nun die kenianische Regulierungsbehörde die Zulassung besonders gefährlicher Wirkstoffe. Das Verfahren zieht sich hin, doch Privatpersonen, Forschung und Zivilgesellschaft halten ihre Forderungen auf der Strasse und in den sozialen Medien aufrecht, auch Medien berichten regelmässig über das Thema.
Agrarökologie wird vermehrt als sichere und zukunftsfähige Alternative zur konventionellen Landwirtschaft wahrgenommen. «Der Umsatz von zertifizierten Produkten ist seit 2019 sprunghaft angestiegen», sagt Martin Njoroge, Projektleiter bei der Bio-Branchenorganisation KOAN (Kenya Organic Agriculture Network). «Dies widerspiegelt die wachsende Nachfrage, aber auch, dass die Zusammenarbeit zwischen Produktion und Handel immer besser funktioniert.»
Auch auf der Regierungsebene gibt es vielversprechende Entwicklungen. So wurde im Bezirk Murang’a, angeleitet von einem von Biovision mitunterstützten Bürger:innenrat, im April dieses Jahres die Förderung von Agrarökologie gesetzlich verankert – in sieben weiteren Bezirken Kenias verfolgen solche Räte dasselbe Ziel, auch in Uganda laufen ähnliche Prozesse an.
Junge sehen Chance in der Landwirtschaft
Es ist insbesondere die junge Generation, die auf einen Wandel des Ernährungssystems drängt. Sie sehen Chancen in einer modernen Landwirtschaft, die sich an Prinzipien wie Ökologie, Gesundheit und Fairness orientiert. Um dies umzusetzen, ist Ausbildung zentral – erfreulicherweise haben agrarökologische Studiengänge und Kurse an den Unis regen Zulauf, auch die von Biovision unterstützten Agrarökologie-Seminare AATC und ITCOA.
AATC-Absolventin Diramu Guyo, 20, sagt: «Ich komme aus dem Norden Kenias, wo Trockenheit ein grosses Problem ist. Ich möchte den Menschen aufzeigen, welche Chancen Agrarökologie bietet – wie sie ihr eigenes Gemüse anbauen und so für Ernährungssicherheit sorgen können.» Der Tatendrang der jungen Generation ist ermutigend und trotz enormer Herausforderungen stehen die Zeichen gut für den weiteren Weg hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen – auf dem auch Biovision weiter unterstützend zur Seite stehen wird. Wir wünschen: Safari njema, gute Reise!