Die Schweiz mit ihren sehr unterschiedlichen geografischen Bedingungen ist auf lokal angepasste Sorten besonders angewiesen. Unterschiedliche und sich verändernde Nährstoffverfügbarkeit, Krankheiten und Schädlinge fordern die Pflanzen heraus, weshalb das Saatgut diesen Bedingungen angepasst werden muss. Diese Arbeit ist sehr zeitintensiv. Bis beispielsweise eine neue Bio-Sorte auf den Markt kommt, kann es bis zu zehn Jahre dauern. Diese sehr aufwendige Arbeit ist deshalb auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Der staatliche Zustupf bewegt sich jedoch im unteren einstelligen Millionenbereich, weshalb es nur einige wenige Kleinunternehmen oder Stiftungen in der Schweiz gibt, die sich dieser arbeitsintensiven Aufgabe stellen.
Aufgrund mehrerer Vorstösse von Biovision-Stiftungsrätin und Ständerätin Maya Graf, hat der Bund 2016 die Wichtigkeit dieses Themas wiederentdeckt und die «Strategie Pflanzenzüchtung 2050» vorgestellt. Jedoch fehlen konkrete Handlungsforderungen und Ziele. Maya Graf setzt sich seit Jahren aktiv für dieses Thema ein und hat im Juni diesen Jahres eine Motion eingereicht zur Anpassung des Patentgesetztes in der Pflanzenzucht. Ziel ist es, die Transparenz betreffend geistiger Eigentumsrechte zu verbessern und den Zugang zum Ausgangsmaterial für die Pflanzenzüchtung zu erleichtern. Dadurch wird garantiert, dass in der Schweiz Sorten zur Verfügung stehen, die optimal an die Bedingungen und Anforderungen der Schweizer Landwirtschaft angepasst sind.
Die Rolle von Saatgut für die Biodiversität
Eine besonders ernstzunehmende Herausforderung für unsere Ernährungssysteme ist die weltweite Abnahme der Biodiversität. Hier spielt Saatgut eine entscheidende Rolle. Im Bereich der Landwirtschaft wird häufig auch von Agrobiodiversität gesprochen. Sie umschreibt, dass ein funktionierendes Ökosystem auf die Vielfalt an Tieren, Pflanzen und Organismen angewiesen ist, um seine Dienstleistungen, wie Nahrung produzieren, Grundwasser filtern etc., erfüllen zu können. Die pflanzliche Vielfalt steht im direkten Zusammenhang zum Saatgut.
Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) werden weltweit 6000 Pflanzenarten als Nahrungsmittel angebaut; doch nur 9 Kulturen machen 66% der weltweiten Agrarproduktion aus. Diese Reduktion an Vielfalt wird teilweise dadurch erklärt, dass immer mehr lokale Pflanzensorten durch kommerzielle Sorten ersetzt werden. Doch ein erfolgreiches agrarökologisches Ernährungssystem ist auf Vielfalt angewiesen. Dies hat neben der FAO, auch bereits der Weltagrarbericht aufgezeigt und es wurde 2018 international erneut in der UN-Deklaration zu den Rechten der Bäuerinnen und Bauern und anderer im ländlichen Raum arbeitender Personen festgehalten. Dabei spielt auch das Recht von Bäuerinnen und Bauern auf Aufbewahrung, Nutzung, Tausch und Verkauf von Saatgut eine Rolle.
Bauern brauchen freien Zugang zu Saatgut
Zurzeit sind wir jedoch noch weit davon entfernt, dass dieses Recht weltweit Realität wird. Der Saatgutmarkt wird von einigen, wenigen transnationalen Grossunternehmen beherrscht, deren Geschäftsmodell vom kontinuierlichen Einsatz der Monokulturen abhängt. Diese Konzentration hat reale Folgen sowohl für die ländliche Bevölkerung in Ostafrika, als auch für die Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz. Nicht zuletzt ist sie aber auch in der Lage, jegliche Lebensgrundlage nachhaltig zu ruinieren.
Biovision und das Thema Saatgut
Biovision setzt sich in ihren Projekten für eine nachhaltige und agrarökologische Landwirtschaft ein, in unseren Projektländern in Ostafrika, genauso wie in der Schweiz und auf dem internationalen politischen Parkett. Beispielsweise ermöglichten wir im kenianischen Vihiga gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Bioversity International die Errichtung einer Saatgutbank. Mehr Informationen finden Sie hier.
