




Wenn die Milchkuriere mit ihren Motorrädern im wilden Nordosten Kenias die Schotterpiste nach Isiolo erreichen, haben sie den schwierigsten Teil ihrer Reise schon hinter sich. Diese beginnt oft fern von jeglichen Strassen im Lager der Kamelhirten. Dort sammeln sie Plastikkanister mit Milch ein und fahren diese über Stock und Stein (siehe Titelbild). In Isiolo, einer Stadt mit rund 30 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, werden sie von den Mitgliedern der Milchkooperative Anolei bereits ungeduldig erwartet. Die Frauengruppe wird von Biovision und Vétérinaires sans Frontières (VSF) Suisse seit 2013 beim Aufbau einer Sammel- und Verarbeitungsstelle für Kamelmilch unterstützt. Die Molkerei ist ein wichtiges Glied der Verarbeitungs- und Wertschöpfungskette, die im Rahmen des Projekts «Kamele für Dürregebiete» aufgebaut wird.
Anspannung in der Milchsammelstelle
Am Anfang des Projekts stand die Förderung der Kamelhaltung im dürregefährdeten Isiolo County – vor allem bei Volksgruppen, die heute Rinder halten. Denn Kamele sind deutlich trockenheitsresistenter als Vieh. Die neuen Kamelbesitzerinnen und -besitzer wurden in der Kamelhaltung, der Tiergesundheit und dem hygienischen Melken ausgebildet. Sobald die Motorradfahrer in Isiolo eintreffen, übernehmen die Frauen der Anolei-Kooperative die Milchkanister und tragen sie in ein grosses Gebäude. Drinnen ist es heiss und stickig, die Stimmung ist angespannt. Die Milch – bis zu 3000 Liter an einem Tag – muss dringend gekühlt werden, bevor sie schlecht wird. Vorher passiert sie aber die Kontrollstelle. Lieferungen, die zu viele Keime oder zu viel Wasser enthalten, werden zurückgewiesen. Um drei Uhr nachts wird die Kamelmilch in einen Kühlwagen verladen und ins 300 km entfernte Nairobi gefahren, wo sie morgens auf den Markt in Eastleigh kommt. Hier leben viele Kenianerinnen und Kenianer somalischer Abstammung. Unter ihnen ist die Kamelmilch sehr begehrt.
Transport mit dem Bus verweigert
Den Kühlwagen kaufte die Kooperative mit Unterstützung von Biovision. Davor musste die Milch auf dem Dach öffentlicher Busse transportiert werden. Bei zu grossem Andrang verweigerten die Fahrer aber oft den Transport und liessen die Frauen mit ihrer verderblichen Ware am Strassenrand stehen. Auch war die Kamelmilch oft sauer, wenn sie nach stundenlanger Reise unter heisser Sonne in Nairobi eintraf. Die Verkaufseinnahmen gehen an die Anolei-Kooperative, die damit sämtliche Lagerungsund Transportkosten deckt. Die Kamelhalterinnen und -halter bekommen ca. 60 bis 80 Kenia-Schilling (ca. 0.37 bis 0.76 Fr.) pro Liter Milch. Sie melken pro Tag durchschnittlich drei Liter Milch. Das ergibt während der etwa einjährigen Laktationszeit einer Stute immerhin rund 40 000 bis 80 000 KES (ca. 380 bis 760 Fr.) pro Kamel. Ein Teil der Milch wird von den Familien selbst getrunken und trägt so zu einer gesünderen Ernährung bei.