Ein Kanton setzt auf regionale Produkte

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Samira Amos, Biovision (Bilder: le Nouvelliste)

Im Wallis kochen Gastronomiebetriebe vermehrt mit regionalen, gesunden und wenig verarbeiteten Lebensmitteln zu fairen Preisen. Das ist die Kernidee des Projektes «Regional kochen» der kantonalen Dienststelle für Landwirtschaft. Mitmachen ist dabei nicht Ehrensache, sondern Vorschrift.

Das Projekt «RegioFoodVS» im Kurzporträt 

Öffentliche und halböffentliche Gastronomiebetriebe wie Spitäler oder Schulkantinen im Kanton Wallis servieren jedes Jahr 6 Millionen Mahlzeiten (gemäss einer Studie des Bundesamt für Statistik, 2009). Was bewirkt es, wenn Gastronomiebetriebe diese Mahlzeiten mehrheitlich mit Produkten aus dem Wallis kochen, auf eine ausgewogene Ernährung achten und den Umweltschutz berücksichtigen?

Der Kanton Wallis hat als Antwort auf diese Frage das Projekt «Regional kochen» ins Leben gerufen. Der Verein «Fourchette verte» übernimmt Beratungs- und Kontrollaufgaben. Inzwischen sind alle Gemeinschaftsgastronomiebetriebe, die der kantonalen Verwaltung angegliedert sind, zur Teilnahme am Projekt verpflichtet. Der Kanton hat ein Tool entwickelt, das Gastronomiebetrieben bei ihrer Beschaffung unterstützt: der digitale Marktplatz RegioFoodVS. Darauf bieten Walliser Landwirt:innen ihre Produkte feil und passen ihr Angebot laufend an. Dies macht es den Gastronom:innen einfach, regionale und saisonale Produkte zu kaufen – und zu günstigen Preisen ohne Zwischenhandel. Zudem helfen die von RegioFoodVS gesammelten Daten, die Nachfrage zu erfassen und das Angebot besser zu planen. Nur einige bestimmte Produkte, die im Wallis nicht hergestellt werden, können aus der Schweiz und schliesslich aus dem Ausland beschafft werden. Erzeugnisse mit Qualitätslabel (wie BioSuisse, IP) werden bevorzugt.

Inzwischen sind knapp 40 Produzent:innen an den RegioFoodVS angeschlossen und mehrere Käufer:innen. Den grössten Teil der Einkäufe tätigen 15 grosse Gastronomiebetriebe. 5‘000 verschiedene Produkte gibt es auf der Plattform – 45% stammen aus dem Wallis, 50% aus der Schweiz, 5% vom Ausland (Stand: August 2023).

Biovision Schweiz RegioFood Logo

Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.

RegioFoodVS im Internet

Förderung der Regionalität

Das Projekt «Regional kochen» will zwar einem ökologischeren Ernährungssystem beitragen, doch im Fokus des digitalen Marktplatz RegioFoodVS steht fast nur die Regionalität. Auf dem Marktplatz finden sich neben den biologischen beispielsweise auch konventionelle Produzent:innen. Die Entscheidung, ob ein Produkt BIO oder konventionell ist, liegt beim Käufer. Da das Instrument Betriebe nicht gezielt fördert, die sich über die konventionelle Landwirtschaft hinaus engagieren, trägt es wenig zur Ressourceneffizienz (Prinzip 1 und 2 in der Grafik) und Stärkung der Resilienz (Prinzip 3 bis 6) bei – abgesehen von den geringeren Transportemissionen durch kürzere Lieferwege.

Gemeinschaftliches Engagement für eine regionale Versorgung

Zudem punktet der digitale Marktplatz in Sache Beteiligung (Prinzip 13). Der Kanton Wallis hat Vorschriften erlassen, dass sich Gemeinschaftsgastronomiebetriebe aktiv am Projekt beteiligen müssen. Gleichzeitig zeigt er Interesse daran, die Umsetzung für die Betriebe zu begleiten und zu vereinfachen. Das Projekt integriert Erfahrungen und wertvolles Feedback der beteiligten Betriebe. Tatsächlich entstand die Idee für den Marktplatz RegioFoodVS aus dem Bedürfnis einiger Betriebe für eine einfache Beschaffung regionaler Produkte. Der Kanton trägt die initialen Kosten und organisiert die Schulung für die Marktplatz-Anwendung. Zudem lernen andere Kantone vom Wallis und lassen sich von RegioFoodVS inspirieren.

Biovision Schweiz RegioFood B-ACT Grafik
Das Spinnendiagramm zeigt die Auswertung des Projekts «RegioFoodVS».

So funktioniert die Bewertung mit B-ACT

Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).

Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:

  • Erhöhung der Ressourceneffizienz
  • Stärkung der Resilienz
  • Sicherung der sozialen Gerechtigkeit

Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.

Illustration des B-ACT Tools auf einem Computer.

Damit punktet das Projekt

  • Das Projekt ist ein gutes Beispiel für einen Kanton, der eine Vorreiterrolle hin zu einem nachhaltigen und fairen Ernährungssystem einnimmt. Der Kanton Wallis hat zwar Vorschriften an die Gemeinschaftsgastronomiebetriebe erlassen, aber gleichzeitig Unterstützung und angemessene Instrumente für die Umsetzung der Vorschriften zur Verfügung gestellt.
  • Das Projekt schafft eine Win-Win Situation, indem es die Walliser Produktion, Distribution und Gastronomie zusammenbringt. Produzent:innen erhalten einen grossen Absatzmarkt, Gastronom:innen einen einfachen Zugang zu einer vielfältigen Auswahl an lokalen Produkten – ganz ohne Zwischenhändler und somit zu einem besseren Preis.

Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt

  • Die Gastronomiebetriebe müssen teilweise ihre Infrastruktur und Prozesse anpassen und erhalten Schulungen für die Marktplatz-Anwendung. Obwohl die politische Entscheidung für diese Veränderung hilfreich war, geschieht die Umsetzung nur langsam und schrittweise. Um den Prozess zu beschleunigen, eine Fachperson einzustellen, die den Gastronomiebetrieben bei der Anwendung des digitalen Marktplatzes und der Verhaltensänderung zur Seite steht.
  • Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Projekts hängt von der Menge der gekauften Produkte ab. Das Projekt finanziert sich durch die 1,5%ige Marge auf jedem Einkauf. Allerdings liegen die Einkäufe unter der erforderlichen Mindestmenge, damit sich das Projekt selbstfinanziert.

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