Viele Nüsse für einen Burger

Von

Samira Amos, Biovision (Bilder: Raphael Seebacher und Leander Dalbert)

Haselnüsse und andere regionale Lebensmittel aus dem Aargau und Nachbarkantonen sind die Zutaten für den Hazelburger. Der Burger ist jedoch mehr als ein Nahrungsmittel: Er verkörpert ein Versuch, die Haselnuss in einem nachhaltigen und gerechten Anbausystem in der Schweiz zu fördern.

Das Projekt «Hazelburger» im Kurzporträt 

Wenn der Projektleiter Leander Dalbert über den Hazelburger spricht, leuchten seine Augen. Zusammen mit der Spezialistin für Weltgesundheit Alena Matzke hat er ein Lebensmittel geschaffen, das schmeckt und gleichzeitig gesund sowie nachhaltig ist. Haselnüsse, schwarze Bohnen, Randen, Champignons, Zwiebeln, Knoblauch und Salbei – alle Zutaten des Burgers sind biologisch und stammen nach Möglichkeit aus einem Umkreis von 25 km, mit Ausnahme von Olivenöl und Pfeffer. 

Doch das reicht den beiden nicht: Ihre Vision ist, alle Hauptzutaten des Hazelburger nicht mehr in Monokulturen, sondern zusammen auf einem Feld anzubauen: In einem Agroforstsystem sollen die Bohnen und andere einjährige Kulturen auf dem Boden, der Salbei auf Strauchebene und darüber veredelte Bäume mit den Haselnüssen wachsen. Sobald das System funktioniert, sollen es die Produzent:innen des Hazelburgers übernehmen können.

Das Anbausystems wird auf einer kleinen Fläche des Hofs ArboVitis im aargauischen Fricktal beforscht. Dieses Versuchsfeld veranschaulicht, wie reduziert die konventionelle Landwirtschaft ist: Hier wachsen die Zutaten des Hazelburger in unterschiedlich komplexen Mischkulturen und das Feld ist an Vielfalt und Farben kaum zu überbieten. Die Lebendigkeit dieses Systems ist spürbar.

Biovision Schweiz Hazelburger Produkt

Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.

Hazelburger im Internet

Hazelburger beim Grand Prix Bio Suisse 2020. Beitrag von Bio Suisse.

Die Haselnuss macht resilient

Leander Dalbert ist ein junger, kreativer Quereinsteiger in der Landwirtschaft. Beim Gestalten des Versuchsfelds achtet er darauf, dass das Feld bunt und «summend» wird. Entsprechend punktet das Projekt in Sachen Biodiversität (Prinzip 5 in der Grafik) und ökologische Synergien (Prinzip 6).

Der Hazelburger kombiniert Ackerkulturen und Kräuter mit Bäumen. Zudem fördert er Nützlinge, wendet standortangepasste Sorten wie die schwarzen Bohnen und Randen von ProSpecieRara an und optimiert Kompost-Methoden.

Die Haselnuss hat in der Schweiz eine lange Tradition und ist durch ihre ballaststoffreichen und proteinhaltige Inhaltstoffe sehr gesund – auch für die Umwelt. Darf der veredelte Baum tiefe Wurzeln entwickeln, wächst er an sonnigen und trockeneren Standorten, spendet Schatten und bremst Winde, fördert die Artenvielfalt und hält das Wasser im Boden. Somit kann die Haselnuss selbst resilient gegenüber dem Klimawandel sein und macht gleichzeitig andere Pflanzen resilienter. Diese Aspekte führen zu einer erhöhten Gesundheit der Böden (Prinzip 3).

Vielfalt an Beziehungen entlang der Produktionskette

Der Hazelburger setzt nicht nur auf Vielfalt an Beziehungen auf dem Acker, sondern auch bei den beteiligten Akteur:innen. Leander Dalbert und Alena Matzke bringen verschiedene Fähigkeiten und Netzwerke in das Projekt ein: Er ist Landwirt in Ausbildung, sie Medizinstudentin. Inzwischen haben sie sich mit verschiedenen Akteur:innen entlang der Produktionskette vernetzt: Mehrere Landwirt:innen liefern seit Mitte 2020 die Zutaten des Hazelburgers, sowie Restaurants, Wissenschaftler:innen und Verkaufsläden. So stellen Leander Dalbert und Alena Matzke sicher, dass die Wertschöpfung regional erhalten bleibt. Konsument:innen laden sie regelmässig ein, mitzuhelfen – sei es beim Formen der Burger in der Küche oder beim Anlegen von Asthaufen für Wiesel auf dem Feld, um Jungbäume vor Mäusen zu schützen.

Leander Dalbert und Alena Matzke nehme sich der Herausforderung an, faire Stundenlöhne für landwirtschaftliche Mitarbeiter:innen, familienfreundliche Teilzeitmodelle und faire Margen für die Verkaufsläden möglich zu machen. So erhalten die Landwirt:innen über den Hazelburger einen neuen Absatzmarkt (Prinzip 7), bei dem sie die Preise für ihre Produkte selbst bestimmen. Zudem suchen Leander Dalbert und Alena Matzke den Dialog rund um Kostenwahrheit und gerechte Einkommen, beispielsweise bei Anlässen auf Märkten, Informationsveranstaltungen oder an Schulen. Dies führt zu einem starken Miteinander und einer guten Bewertung in Prinzipien, die die soziale Gerechtigkeit betreffen (Prinzip 8-11).

Das Projekt trägt nicht zu dem Prinzip Beteiligung (Prinzip 13) bei, da es sich nicht an übergeordnete politische Arbeit beteiligt, wie z.B. an Multistakeholder-Netzwerken oder in politischen Gremien.

Biovision Schweiz Hazelburger B-ACT Grafik
Das Spinnendiagramm zeigt die Auswertung des Projekts «Hazelburger». Da das Projekt nicht mit Nutztieren arbeitet, ist das Prinzip 4 «Gesundheit der Tiere» nicht anwendbar.

So funktioniert die Bewertung mit B-ACT

Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).

Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:

  • Erhöhung der Ressourceneffizienz
  • Stärkung der Resilienz
  • Sicherung der sozialen Gerechtigkeit

Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.

Illustration des B-ACT Tools auf einem Computer.

Damit punktet das Projekt

  • Der Hazelburger bringt das Ernährungssystem und Gesundheit zusammen. Er ist gut für die Umwelt, den Menschen und den Gaumen.
  • Das Projekt setzt auf Stärke durch Vielfalt. Neben der Vielfalt auf dem Feld bringt es Akteur:innen aus der ganzen Produktionskette zusammen, um die lokale Wirtschaft und Vernetzung für ein nachhaltiges Ernährungssystem zu fördern. Dabei bezahlt Hazelburger alle Akteur:innen fair – und hoffentlich bald auch den Gründer:innen einen Lohn.
  • Obwohl die Haselnuss in der Schweiz heimisch ist und einen grossen Beitrag zu einer klimaresilienten Landwirtschaft leisten kann, stammt der grösste Teil der in der Schweiz konsumierten Haselnüsse aus der Türkei. Die Haselnuss, wie viele Dauerkulturen, ist allein schon wegen des jährlichen Baumschnitts in den ersten 15 Jahren eine arbeitsintensive Pflanze, für die es kaum Fördermassnahmen gibt. Der Hazelburger möchte die Haselnuss als gesundes und nahrhaftes Lebensmittel wieder zu einem Grundnahrungsmittel machen. Ziel ist, dass sich der Anbau der Haselnuss für die Landwirt:innen, ihre Angestellten und die Biodiversität bezahlt macht. Dafür kombinieren sie die Haselnuss mit anderen einjährigen Kulturen, die als Zutat für den Burger dienen, sowie sogenannten «Cash Crops» wie Beeren, in einem sich regenerierenden Ökosystem.

Beitrag zum Hazelburger von wir stehen drauf

Leander Dalbert bei der Produktion eines Hazelburgers. Bild von Raphael Seebacher.

Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt

Der Hazelburger steht finanziell auf wackligen Beinen. Einerseits kostet ein Hazelburger von 130 Gramm im Verkauf momentan 14.95 Franken. Nur mit diesem Preis können Leander Dalbert und Alena Matzke gerechte Preise an die Produzent:innen und die aufwendige, kulinarisch hochstehende Verarbeitung bezahlen. Alleine die Zutaten kosten so viel wie ein Bio Veggie-Burger aktuell im Laden kostet: 2.50 CHF. Bewusst oder unbewusst sind die Konsumierenden darauf eingestellt, nur wenig Geld für Lebensmittel auszugeben. Dies arbeitet gegen Initiativen der Einkommensgerechtigkeit wie den Hazelburger. Andererseits erhält Leander Dalbert aufgrund seiner noch nicht abgeschlossenen Ausbildung momentan keine Direktzahlungen für sein Versuchsfeld und besitzt als Quereinsteiger kein eigenes Land. Die daraus resultierende finanzielle Unsicherheit auszuhalten, ist gerade für seine junge Familie mit zwei Kindern herausfordernd.

 

Der Arbeitsaufwand, der durch die konsequent nachhaltige Produktion des Hazelburgers entsteht, ist für die Einzelpersonen nur unter hohem Privatrisiko und einer langsamen Produktion tragbar. Beispielsweise braucht die schrittweise Herstellung des Hazelburgers mit zum Teil unterdimensionierten Maschinen viele Arbeitsstunden. Auch die Lieferung der Burger mit dem öffentlichen Verkehr und in Mehrwegverpackung ist zwar sehr ressourcenschonend, jedoch arbeitsintensiv. Somit bewegt sich das Projekt in einem stetigen Spannungsfeld zwischen einer gewissen nötigen Effizienz und den Grundprinzipien der Projektleitenden.

Hazelburger beim Agroforst Podcast.

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