Bei der Entwicklung neuer Projekte ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen für Biovision essentiell. Wie aber sieht die Umsetzung aus, etwa im Bienenprojekt in der Wag Himra Zone in Äthiopien? Dieses Gemeinschaftsvorhaben mit unserer Partnerorganisation icipe startete 2018. Zusammen mit den örtlichen Landwirtschaftsberatern und Bienenexperten ermutigt das icipe Frauen dazu, Teil des Projekts zu werden. Die allein männlichen Formen im vorherigen Satz sind leider korrekt. Denn obwohl im Kabinett der äthiopischen Landesregierung seit vergangenem Jahr zur Hälfte Frauen sitzen, haben sich vor Ort im Dehana-Bezirk bisher nur Männer als Kursleiter gefunden. Weil es den jungen Menschen im Einzugsgebiet des Bienenprojekts für Jungunternehmen an weiblichen Vorbildern fehlt, wäre die Vertretung beider Geschlechter im Projekt umso wichtiger. Dies mag einer der Gründe sein, warum es nicht im Handumdrehen gelungen ist, die Hälfte der Teilnahmeplätze in den Imker- und Entrepreneurship-Kursen mit Frauen zu belegen. Dabei hat die Projektleitung der Frauenförderung in der Vorbereitung grosse Aufmerksamkeit geschenkt.
Weichen gestellt
Von der Strategie bis zur tatsächlichen Umsetzung, d.h. einer Erhöhung und dem Erhalt des Frauenanteils, ist es manchmal ein weiter Weg. Aus früheren Projektenwissen der icipe-Projektkoordinator Dr. Workneh Ayalew und seine Kollegen, dass gewisse Teilnahmebedingungen unüberwindbare Hürden für Frauen und Mädchen darstellen. Müssen diese beispielsweise fliessend lesen und schreiben können, ist ein Grossteil der ländlichen weiblichen Bevölkerung Äthiopiens bereits ausgeschlossen. Deshalb lauten die einzigen Anforderungen, um sich einem Kleinunternehmen im Rahmen des Biovision-Projekts anschliessen zu können, dass die jungen Erwachsenen landlos, arbeitslos und in einem der ausgewählten Wassereinzugsgebiete wohnhaft sein müssen.
Über Grenzen hinweg
Im neuen Bienenprojekt treffen Frauen aber noch auf weitere Hindernisse zur Teilnahme am Arbeitsmarkt. «Frauen haben mit Herausforderungen zu kämpfen, die wir nicht immer sehen», erklärt Dr. Workneh Ayalew der ausschliesslich aus Männern bestehenden Arbeitsgruppe der örtlichen Verwaltung. «Von ihnen wird erwartet, dass sie für ihre Kinder und Ehemänner sorgen, und oft nehmen Letztere an ihrer Stelle an Ausbildungskursen teil.» Als möglichen Lösungsansatz schlägt er vor, probehalber eine reine Frauengruppe zu gründen. Eigentlich widerspricht dies der Philosophie, die Zusammenarbeit über Geschlechter- und Generationengrenzen hinweg zu fördern. Doch unter Umständen könnte dieser radikale Ansatz gewisse Hindernisse aus dem Weg räumen.
Motivierende Geschichten
Etliche Probleme bleiben dennoch bestehen. So mussten etwa mehrere Frauen ihre Imkergruppe verlassen, weil sie in ein weit entferntes Dorf heirateten. Anderen fehlten die finanziellen Mittel, weil sie in ihrem Namen keinen Mikrokredit aufnehmen wollten oder weil sich ihre Ehemänner weigerten, den für die Projektteilnahme erforderlichen gemeinsamen Vertrag zu unterzeichnen. In den Betriebswirtschaftskursen lernen die jungen Erwachsenen deshalb die Grundsätze der Buchhaltung kennen und hören Geschichten zu Erfindergeist und Durchhaltewillen in der Geschäftswelt. Die Gruppe «Azmeraw Debasaw & Friends Enterprise» wendet das Gelernte besonders gewinnbringend an. Sie ist das ökonomisch gesehen erfolgreichste Unternehmen im Bienenprojekt – und das einzige in Frauenhand. Vier von fünf Gründungsmitgliedern sind Frauen zwischen 20 und 30 Jahren, drei von ihnen haben bereits Kinder. Mit dem Handel von Getreide oder Gemüse erwirtschaften sie im Nebenerwerb Geld, das sie bereits wieder investieren. Die im Projekt geförderte Bienenhaltung und der Honigverkauf werden erst mittelfristig ihre Haupteinkommensquelle sein.
Fortschritte für beide Geschlechter
Ohne die Rückenstärkung ihrer Ehemänner hätten aber auch diese vier Frauen einen schwierigeren Stand. Beispielsweise übernehmen die Männer Nachtschichten und bewachen die Bienenstöcke, was für äthiopische Frauen ein No-Go wäre. Dafür sorgen die berufstätigen Frauen weiterhin für den Haushalt und bereiten das Essen für den ganzen Tag zu, ehe sie am Morgen zu den Bienenstöcken und ihren Gemüsefeldern aufbrechen. Ohne Zusatzaufwand geht es also auch hier nicht. Diesen nehmen aber immer mehr Frauen auf sich, um am Berufsleben teilzunehmen und damit sich und ihre Familien weiterzubringen.
Vorbilder gesucht
Zurzeit beträgt der Frauenanteil unter den aktiven Jungunternehmerinnen und -unternehmern im Dehana-Projekt 34 %. Mit den geplanten Neuzugängen im Jahr 2019 wird sich dieser Anteil auf 42 % steigern. Die Anstrengungen im Projekt von icipe und Biovision, mehr Imkerinnen mit ins Boot zu holen, scheinen sich also langsam auszuzahlen. Bleibt zu hoffen, dass diese Pionierinnen mit ihrem öffentlichen Engagement bald andere Frauen und Mädchen anstecken.
* icipe: Internationales Insektenforschungsinstitut Nairobi, Kenia