Früher war das Leben hier gut», erzählt der 82-jährige Neftali Kian’a Miru aus Marimanti, einem Dorf im heiss-trockenen Tiefland von Tharaka. «Wir hatten genug zu essen und die Leute hatten Achtung vor der Natur» Seine beiden Töchter Virginia und Sabella, deren Schwiegertochter Josephine und seine Urenkelin Baraka spitzen die Ohren. Der Alte fährt fort: «Heute leben hier viel mehr Menschen, und sie alle brauchen Land und Holz». Sogar am Ntugi Hill sei gerodet worden, ereifert er sich. Das hätte früher niemand gewagt, denn der Gipfel des Ntugi sei ein Ort der Ahnen. «Je weniger Bäume stehen, desto weniger regnet es. Die Dürren nehmen zu, die Ernten werden immer spärlicher und das Leben immer schwieriger»
Bei Regenmangel droht der Hunger
Zudem hätten die meisten Bauern beim Pflanzenbau auf moderne, ertragreichere Hybrid-Sorten umgestellt. Jetzt seien sie abhängig von Saatgutproduzenten, weil sie die Hybrid-Samen nicht selber ziehen können. «Die neuen Sorten sind aber dem trockenen Klima von Tharaka nicht gewachsen», mahnt Neftali. «Bei Regenmangel verdorren sie schneller, und das kann leicht zu Hunger führen». Seine verwitwete Tochter Sabella nickt zustimmend: «2009 waren viele Familien auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen und konnten kein Einkommen aus der Feldarbeit erwirtschaften». Die Witwe weiss, wovon sie spricht. Auch sie musste all ihr Vieh verkaufen, um mit ihren drei Kindern über die Runden zu kommen.

Alte Sorten sind robuster
Unterdessen hat sie wieder Fuss gefasst und neue Wege beschritten. Zusammen mit ihrer Bauerngruppe schloss sie sich einer Initiative des Institute for Culture and Ecology (ICE) an, einer lokalen Partnerorganisation von Biovision, welche sich vor Ort für die Erhaltung der Umwelt, der traditionellen Kultur und für ein besseres Leben der Landbevölkerung engagiert. Die kenianische NGO setzt insbesondere auf die Kombination von altem Wissen und modernen, ökologischen Anbaumethoden, um eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu erreichen. Dabei spielen auch die Wiederaufforstung mit angepassten Baumarten und die Verbreitung alter Nutzpflanzensorten eine wichtige Rolle. Neftali und seine Töchter sind überzeugt von diesem Ansatz. Sabella baut unter anderem fünf verschiedene Arten der Fingerhirse und elf Sorten Sorghum an. Sie zieht fünf Typen Mungbohnen, acht Kuhbohnenarten und drei Erbsensorten. «Meine Produkte sind sehr gefragt und auch der Samenverkauf läuft sehr gut», erklärt sie zufrieden. Allein das Geschäft mit dem Saatgut brachte ihr letztes Jahr 50 000 Kenia-Schilling ein (ca. 500 Franken).
Ausbildung und praktische Anwendung
Sabella ist überzeugt, dass der Schlüssel zum Erfolg vor allem in der praktischen Begleitung von ICE auf dem Feld liegt. Die Bauern der Gruppe haben auch mit dem Pflanzen von Bäumen begonnen. Sie weisen die Köhler weg von den heiligen Stätten und setzen sich dafür ein, dass jeder gefällte Baum durch eine junge Pflanze ersetzt wird. Jetzt grünt es wieder am heiligen Ntugi Hill und Neftali atmet auf: «Das Wissen von uns Alten wird bleiben, auch wenn der letzte von uns gegangen ist».