Die «SAT Holistic Group» schafft einen fairen Markt für agrarökologische Produkte in Tanzania

Von

Margarete Sotier, Nina Botzen, Biovision

Seit dem Aufbau der Organisation vor 10 Jahren hat «Sustainable Agriculture Tanzania» (SAT) tausende Bäuerinnen und Bauern für agrarökologische Landwirtschaft begeistert. 2020 haben Alexander Wostry und Janet Maro zusätzlich das Sozialunternehmen «SAT Holistic Group» gegründet, um einen fairen Markt für agrarökologische Produzentinnen zu schaffen. Im Interview verrät uns Wostry das Erfolgsrezept.

Die Links zum Interview:

Alexander Wostry, gemäss Eigenbezeichnung ist SAT «farmer-owned». Was ist damit gemeint?

«Farmer-owned» bedeutet, dass wir die Bäuerinnen und Bauern in alle Glieder der Wertschöpfungskette einbeziehen möchten: nicht nur in die Produktion, sondern auch in die Vermarktung und den Verkauf. Dies hat vor allem zwei grosse Vorteile: Zum einen sind die Produzentinnen dadurch verlässlichere Partner, weil sie nicht dazu verleitet sind, ihre Produkte anderweitig zu verkaufen. Zum anderen fühlen sie sich als Teil des Ganzen und übernehmen mehr Verantwortung für die Qualität ihrer Produkte. Wir arbeiten wirkungsorientiert, das heisst, wir sind nicht auf Profit fokussiert, sondern wollen auch einen Mehrwert für die Gemeinschaft und einen positiven Einfluss auf die Umweltebene haben.

SAT stützt sich auf das Konzept der Agrarökologie. Das Wissen spielt darin eine grosse Rolle. Wie geht SAT damit um?

Bei der Agrarökologie wird das Wissen kulturell eingebettet und es werden kleinbäuerliche Strukturen unterstützt. Unser Ansatz ist es, Verbindungen zwischen Bäuerinnen, Auszubildenden, Forschenden und der Regierung zu knüpfen, um lokal verankertes Wissen zu sichern und weiterzuverbreiten. Die Gemeinschaft mit ihren Erfahrungen ist unser Kernnetzwerk. Sie ist der grösste Wissensverbreiter über agrarökologische Landwirtschaft.

Die Transformation der Ernährungssysteme steht bei Biovision im Zentrum. Inwiefern kann SAT zu diesem Wandel beitragen?

Die agrarökologische Herangehensweise ist ein Muss. Wir müssen das anerkennen. Wenn man sich die kleinbäuerlichen Strukturen in Tansania anschaut, sieht man, dass schon viele agrarökologische Methoden zum Einsatz kommen. Es gilt nun, diese zu erkennen, zu verbessern, wissenschaftlich zu stützen und weiterzuverbreiten. Durch unsere Netzwerke werden der Informationsfluss und der Wissensaustausch gesichert. Daher pflegen wir auch ein enges Verhältnis zu unseren Bäuerinnen und Bauern. Mittlerweile sind es schon über 10’000, mit denen wir eng zusammenarbeiten und die wir regelmässig besuchen. Durch das von Biovision co-finanzierte Ausbildungszentrum sowie das «Farmer Communication Program» können wir Informationen gezielt einer grossen Gruppe von Menschen zugänglich machen.

Janet Maro und Alexander Wostry, Gründer von Sustainable Agriculture Tanzania
«Die lokale Gemeinschaft von Kleinbäuerinnen und -bauern mit ihren Erfahrungen ist unser Kernnetzwerk. Sie sind der grösste Wissensverbreiter über agrarökologische Landwirtschaft.»
Alexander Wostry, Gründer und Direktor von SAT/SAT Holistic Group

Lässt sich Ihr Ansatz auch auf andere Länder und Regionen übertragen?

Ich denke, unser Ansatz lässt sich global anwenden. Wir sehen, was die Menschen auf den Feldern tatsächlich benötigen, aber wir haben auch Einfluss auf politischer Ebene, da wir mit dem tansanischen Landwirtschaftsministerium zusammenarbeiten und durch Beratungen und Workshops in regem Austausch mit ihnen stehen. So konnten wir vor zwei Jahren erfolgreich den Lehrplan der landwirtschaftlichen Ausbildung ändern, sodass dieser nun auch ein Modul zu biologischen Anbauweisen beinhaltet. Ich bin überzeugt, dass unser Beispiel Schule machen und sich weiterverbreiten wird.

Welches sind die entscheidenden Punkte?

Kommunikation, Innovation sowie Leidenschaft sind zentral. Aus der Gemeinschaft entsteht die Begeisterung, hier geschieht der Austausch und wird die Neugier geweckt. Wir legen viel Wert auf eine intensive Kommunikation. So haben die Bauerngruppen zum Beispiel mindestens ein Smartphone, über welches ihnen täglich Informationen bereitgestellt werden. Oder wir besuchen sie im Feld oder laden sie in unsere Schulungsgärten ein. Wir wollen ein System aufbauen, wo sich die Bäuerinnen und Bauern selber unterrichten können und das Wissen weitertragen. Zu schaffen, den Menschen zu vermitteln, dass sie Teilhaber sind, ist ein wichtiger Schritt.

Es geht darum, Menschen zu befähigen?

Ja. Die soziale Komponente in der Agrarökologie ist eine ganz wichtige. Wir möchten den Menschen ihre Bedeutung im System aufzeigen und ein Netzwerk schaffen, in dem der Informationsfluss gedeihen kann, zum Beispiel beim Vermitteln ökologischer Anbaumethoden. Eine starke Gemeinschaft zu haben, in der man gemeinsam Herausforderungen angeht und auch Erfolge feiert – dies definiert für mich Agrarökologie am besten. Wir sehen uns bei SAT als Dienstleister und die Bäuerinnen als Verstärker: Sie können ihr Wissen weitertragen und die Neugier in andere wecken – und anstiften, das gleiche Geschäftsmodell zu ergreifen.

Oft befürchten Bauern, dass sie durch die Umstellung auf ökologischen Landbau erhebliche Ertrags- und Gewinneinbussen in Kauf nehmen müssen. Wie schafft ihr es, sie von agrarökologischen Methoden zu überzeugen?

Die rund 25 Bauern, die sich vor zehn Jahren zu einer Zusammenarbeit mit uns bereit erklärt haben, waren damals Pioniere. Wenn es in den Medien um das Thema biologische Landwirtschaft geht, werden diese Bauern gerne als Vorzeigebeispiele genannt und geniessen dadurch auch eine starke Medienpräsenz. Sie haben festgestellt, dass sich seither der Boden und der Ertrag ihrer Felder verbessert hat, was natürlich das Interesse anderer Bauern weckt. Am Anfang ist es viel Arbeit, vor allem körperlich. Aber die macht sich irgendwann bezahlt: Die Fruchtbarkeit des Bodens wird gesteigert und durch die Artenvielfalt wächst die Resilienz. Fällt einmal eine Ernte weg, kann man auf eine andere zurückgreifen.

Was fehlt noch, um Agrarökologie markttauglich zu machen?

Es liegen zwar unzählige Studien vor, welche ihre positiven Auswirkungen betonen, aber wie man agrarökologisch produzierende Bäuerinnen gewinnbringend an den Markt anbindet, wurde noch kaum beforscht. Natürlich ist es toll, die Bauern am Profit teilhaben zu lassen und ein Geschäftsmodell zu haben, aus welchem die Gesellschaft wie auch die Umwelt einen Nutzen ziehen können. Aber erst, wenn das Ganze auch wirtschaftlich in einem grösseren Kontext aufgeht, kann es zu einer Geschichte werden, die wächst und sich verbreitet. Wir wollen diese Vorreiterrolle einnehmen und andere dazu inspirieren, sich von diesem Trend mitreissen zu lassen. Wir können als Pioniere vorangehen, aber wir können nicht alleine ganz Tansania auf biologisch umstellen. Dazu braucht es weitere Multiplikatoren: Wir müssen es schaffen, Firmen, Kooperativen und noch mehr Bäuerinnen und Bauern zu inspirieren, unseren Weg einzuschlagen.

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