Wie wir einen Bio-Markt aufbauen

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Patricio Frei, Biovision. Bilder: Anold William.

Es reicht nicht, wenn Bäuerinnen und Bauern nachhaltig produzieren. Es braucht auch jemanden, der ihnen für ihre Produkte einen angemessenen Preis bezahlt. Deshalb beteiligt sich Biovision daran, mit engagierten Unternehmen den Bio-Markt in Tansania aufzubauen.

Bäuerinnen und Bauern in Tansania haben kaum einen Anreiz, biologische Landwirtschaft zu betreiben. Weil es keinen Markt für Bio-Produkte gibt, können sie für die höhere Qualität beim Verkauf keinen Aufpreis verlangen. Ein Grund dafür ist, dass die Konsument:innen kaum über die Bedeutung gesunder Ernährung ohne chemisch-synthetische Pestizide informiert sind und damit keine Bio-Produkte nachfragen.

Es stellt sich die Frage, was es bei einem neuen Wirtschaftsmarkt zuerst braucht: das Angebot oder die Nachfrage? Es ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Die Antwort gibt Biovision mit dem Projekt «Bio-Markt in Tansania». Und setzt gleich auf beides.

Schulung in Businessplänen, Verarbeitung und Marketing

Zum einen führt Biovision mit dem Projektpartner Sustainable Agriculture Tanzania SAT die 2011 begonnene Arbeit mit Bäuerinnen und Bauern weiter. Auf ihren Feldern setzen diese auf agrarökologische Anbaumethoden. Sie sind denn auch nach dem East African Organic Product Standard EAOPS zertifiziert und stellen Bio-Produkte für den lokalen Markt bereit. Das Ziel: Mindestens 300 biozertifizierte Bäuerinnen und Bauern werden mit Unternehmen verlinkt, die dank dem Projekt vermehrt auf Bio-Produkte setzen. Dabei möchte SAT zusätzlich rund 150 neue Bäuerinnen und Bauern so weit ausbilden, dass sie mit dem EAOP-Standard zertifiziert werden können. Im Angebot stehen Hülsenfrüchte, Nüsse, Gemüse, Früchte, Honig, Gewürze und Seetang.

Zum andern schulen unsere Partnerorganisationen Inhaber:innen und Mitarbeitende von 15 Klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU). Sie helfen den Unternehmen, Businesspläne zu erstellen und ihre Produktstandards hinsichtlich Qualität und Hygiene zu steigern. Das Projekt von Biovision fördert die KMUs auch dabei, Bio-Produkte zu verarbeiten und zu entwickeln, Marketingstrategien zu entwerfen und auf Social Media umzusetzen. Auch eine Verbesserung bezüglich Branding, Verpackung und Distribution soll langfristig zu einem nachhaltigen Wachstum der Unternehmen beitragen.

Biovision will erreichen, dass die involvierten KMUs ihre Produkte über Bio-Läden und grössere Detailhändler vermarkten. Sobald die KMUs ein breiteres und vielfältigeres Sortiment an Bio-Produkten verfügbar machen können, werden auch die kontaktieren Bio-Läden und Detailhändler diese vermehrt anbieten. So schaffen es immer mehr Bio- Produkte der involvierten KMUs in die Regale. Und das Angebot an biologischen Produkten wächst weiter.

Sophia with her farmer choosing the best lemons
Freude an der Arbeit: Auch Emmanuel Alexander Malewa gehört zum tatkräftigen Team von Sophia.

«Von der Eigenverantwortung bis zum Ernährungssystem»

Bereits fanden die ersten Workshops zu Themen wie Branding und Labeling sowie Lebensmittelverarbeitung und -sicherheit statt. Unter den Teilnehmenden war auch Sophia Gundula. Die 33-Jährige hat in Daressalam das Unternehmen DailyLife gegründet. Dieses arbeitet direkt mit Kleinbäuerinnen und -bauern in ganz Tansania zusammen und bietet zuckerfreie Konfitüren, Honig, Trockenfrüchte, Nüsse, Gewürze, Proteinriegel und Müesli an. «DailyLife ist ein soziales Unternehmen, das sich für eine gesunde Ernährung einsetzt – von der Eigenverantwortung bis hin zum kollektiven Engagement für die Schaffung eines gesunden, nachhaltigen Ernährungssystems», erklärt Gundula.

Die Unternehmerin stellt eine rasch steigende Nachfrage nach Bio-Produkten in Tansania fest: «Um den Bedarf an Bio-Produkten für unsere Kundinnen und Kunden zu decken, müssen wir mehr Bäuerinnen und Bauern für ökologische Anbaumethoden gewinnen und mit ihnen durch Vertragsanbau zusammenarbeiten, damit sie uns exklusiv beliefern.»

«Sich von der Konkurrenz abheben»

Auch Saimon Majeni nimmt bei seinen Geschäftspartner:innen ein wachsendes Interesse an nachhaltigen Produkten wahr. Der Gründer von Salbena vertreibt in ganz Tansania ökologischen Honig: «Die Geschäftspartner erkennen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten wegen gesundheitlicher Vorteile und des Umweltaspekts zunehmend ökologische Produkte nachfragen.» Und er macht noch einen weiteren positiven Effekt aus: «Die Unternehmen wissen, dass sie mit der Umstellung auf Bio ihr Markenimage verbessern und sich so von der Konkurrenz abheben können. Bio-Produkte werden oft mit höherer Qualität, Reinheit und einem Engagement für ökologische Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht.»

Mehr Eindrücke von DailyLife und Salbena finden Sie in dieser Bildergeschichte.

Seit 2012 führt SAT in Morogoro, einer Stadt westlich von Daressalam, den ersten Bio- Laden des Landes. Der SAT Organic Shop bietet den Bäuerinnen und Bauern aus der Umgebung einen lokalen Absatzmarkt. In seiner Pionierrolle hat er schon einige Nachahmer nach sich gezogen. Damit aber weitere Bio-Läden in dieser Art entstehen können, muss das Angebot an Bio-Produkten wachsen und die Versorgung stabil sein.

Dies ist eines der Probleme, mit denen Akley Mbaye zu kämpfen hat. Er ist im SAT-Shop für Verkauf und Vertrieb zuständig: «Eine unserer grössten Herausforderungen ist das unregelmässige Angebot an Bio-Produkten im Vergleich zur schnell wachsenden Nachfrage. » Zumeist sind es klimatische Bedingungen, welche die Produktion von Obst und Gemüse beeinträchtigen.

«Mehr über ökologische Lebensmittel erfahren»

Das Projekt ist vielversprechend gestartet. Die ersten Reaktionen stimmen zuversichtlich: Die Nachfrage wächst. Dies bestätigt auch Akley Mbaye aus dem SAT-Shop: «Die Kundinnen und Kunden geniessen es, chemiefreie Produkte zu konsumieren, die gut für ihre Gesundheit sind. Sie kaufen gerne bei uns ein, weil sie mehr über die ökologischen Lebensmittel und deren Produktion erfahren. Deshalb sind sie eher bereit, mehr für die Produkte zu bezahlen. Die Nachfrage steigt!»

Und dies kommt letztlich den Bäuerinnen und Bauern zugute, die ihre Felder nach biologischen Richtlinien bestellen. Sie sehen nun eine zunehmende Wertschätzung für ihre nachhaltige Arbeit und erhalten die Möglichkeit, ihre Produkte auf einem wachsenden Bio-Markt anzubieten. Durch die verstärkte Nachfrage nach chemiefreien, gesunden Lebensmitteln und das steigende Bewusstsein für ökologische Landwirtschaft werden aber nicht nur sie belohnt. Ihr Engagement und ihre Einsatzbereitschaft tragen dazu bei, eine nachhaltige Zukunft für Tansanias Ernährungssysteme zu gestalten und die Gesundheit von Mensch und Umwelt des ganzen Landes zu schützen.

Drei Fragen an Eliminata Marmetus

Wo liegt die grösste Herausforderung für den Bio-Markt in Tansania?

In der starken Konkurrenz durch konventionelle Produkte: Diese sind deutlich günstiger. Ökologische Erzeugnisse können sich in Tansania nur wenige Menschen leisten. Wenn das Angebot der Bio-Produkte zunimmt und damit die Kosten für Vertrieb und Logistik sinken, werden sich die Preise von Bio- und konventionellen Produkten angleichen. Dann sollten diese für fast alle erschwinglich werden.

Welche Person hat dich am meisten beeindruckt?

Die aussergewöhnlichste Projektteilnehmerin ist Fatma Mang’ena. Die Inhaberin von Healthy Seaweed hat ein einzigartiges Sortiment – und eine grosse Leidenschaft für Bio-Produkte. Sie lebt in Daressalam, arbeitet mit Bäuerinnen und Bauern auf der Insel Pemba zusammen und verkauft ihr Angebot an 2000 Privat- kundinnen und -kunden in Tansania. Unter anderem bietet sie Marmelade, Pulver und Salat an – alles mit Seetang.

Weshalb ist Social Media so wichtig in diesem Projekt?

Mit Posts auf Instagram und Facebook erreichen die KMUs mehr Kundschaft. So können sie mit wenig Aufwand auf ihre Produkte aufmerksam machen. Social Media ist in unserem Land sehr wichtig. Denn in Tansania haben die meisten Menschen ein Smartphone.

Eliminata Marmetus, SAT, lehnt an einer Wand.

Eliminata Marmetus

ist Projektmanagerin des Organic Value Chain Project

Dieses Projekt wird von der Deza unterstützt.

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