Kennen sie das gefährlichste Tier der Welt? Ist es eine Giftschlange, ein Weisser Hai oder ein Grizzly? Weit gefehlt: Es sind Stechmücken, die jährlich über eine halbe Million Menschen mit der Übertragung gefährlicher Krankheiten töten, allen voran mit der Malaria.
Aus diesen Grund hat die Bekämpfung der Malariamücken hohe Priorität für die internationale Gemeinschaft. Dabei wird oft versucht, einzelne Massnahmen wie den Einsatz von imprägnierten Bettnetzen oder das Versprühen von Insektiziden möglichst weit zu verbreiten. Diese Ansätze konnten viele Menschenleben retten: Weltweit ging die Todesrate seit der Jahrtausendwende um 60 Prozent zurück, 20 Länder konnten die Krankheit ganz eliminieren. Mit der zunehmenden Resistenz der Mücken stossen diese Einzelmassnahmen aber an ihre Grenzen. Für die geplante Ausrottung der Krankheit in den verbleibenden 86 Ländern braucht es neue Instrumente und einen integrierten Ansatz.
Darum setzt Biovision auf eine ganzheitliche Methode, das sogenannte Integrierte Vektormanagement IVM, das verschiedene Massnahmen zur Mückenbekämpfung kombiniert. Das langjährige Projekt «Stopp Malaria» setzte diese Massnahmen an drei Standorten in Kenia und Äthiopien um. Das internationale Insektenforschungsinstitut (icipe) und das Kenya Medical Research Institute (KEMRI) betreuten das Projekt als lokale Partner vor Ort. Denn schliesslich sollte wissenschaftlich bewiesen werden, dass IVM funktioniert. Aber tut es das wirklich?
IVM-Massnahmen an Standorte anpassen
«Es kommt auf die Standortbedingungen an», sagt Professor Charles Mbogo, Projektleiter vom KEMRI. «In Malindi konnten wir während der Laufzeit des Projekts einen beeindruckenden Rückgang der Malariafälle verzeichnen.» Allerdings sind die Fallzahlen auch anderswo gesunken (siehe Abbildung). Es bedurfte deshalb kontrollierter Studien (Randomized Controlled Trial RCT), um die Wirkung der Methode zu beurteilen. Das Ergebnis: IVM und insbesondere die Larvenkontrolle mit dem umweltfreundlichen Bti (Bacillus thuringiensis israelensis) funktioniert bei einer hohen Bevölkerungsdichte und einer überschaubaren Anzahl der Brutstätten am besten. Diese Situation herrscht in und um Malindi vor, wo die Malaria weitgehend zurückgedrängt werden konnte. In den noch stark durchseuchten Gebieten wie Nyabondo am Viktoriasee, dem zweiten Projektstandort in Kenia, war die Larvenkontrolle weniger effektiv. Dort erwies sich hingegen das Abdichten von Häusern gegen das Eindringen von Moskitos als wirksame Massnahme.
IVM zieht Kreise
Diese Erkenntnisse sind wichtig für das weitere, gezielte Vorantreiben des IVM-Ansatzes auf politischer Ebene. In Kenia und Tansania gibt es bereits erste Erfolge: Die nationalen Regierungen finanzieren die Larvenkontrolle in grösseren Gebieten. Dort erweisen sich jetzt die Erfahrungen sowie Handbücher und Schul-Lehrpläne aus den Biovision-Projekten als sehr hilfreich. Zudem unterstützt Biovision über das Umweltprogramm der UNO die Regierungen von Namibia und Uganda bei der Erstellung und Umsetzung nationaler Fahrpläne für IVM-Massnahmen.
Weiterentwicklung von IVM
Das langjährige Modellprojekt «Stopp Malaria» endete 2019. Doch die örtlichen Strukturen, wie etwa die Vereinigung der Moskito-Scouts PUMMA bleiben bestehen. Und das IVM-Konzept wird von Biovision und icipe im neuen Projekt «Innovative Krankheitsprävention für Tier und Mensch» konsequent weiterverfolgt. Hier wird dem IVM-Werkzeugkasten eine neue Methode hinzugefügt. Konzentrierten sich unsere Massnahmen bisher auf die Malariakontrolle und somit auf den Menschen, kommt jetzt auch das Vieh dazu. Im Sinne eines integrierten Ansatzes werden mit der neuen Methode buchstäblich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Dazu werden Kühe als Köder mit einem Bio-Insektizid besprüht. Anopheles-Mücken, die hier Blut saugen, werden eliminiert und so die Moskito-Population reduziert. Gleichzeitig werden weitere parasitische Blutsauger dezimiert, die gefährliche Tierkrankheiten verbreiten, etwa Tsetsefliegen und Zecken. Das Projekt steht noch am Anfang. Bei der Entwicklung werden die Menschen in den betroffenen Gemeinden eng einbezogen und die Methode auf ihre Bedürfnisse angepasst.
Gefahr durch Corona
Schon dieses Jahr sollte ein grosser Feldversuch gestartet werden, um zu prüfen, ob die neue Methode die erwarteten Synergien bringt. Bis zur Ausrottung der Malaria wird es noch dauern, aber das Endspiel ist in Sicht. 2030 könnte die Krankheit ausserhalb Afrikas besiegt sein. Experten halten eine weltweite Ausrottung bis 2050 für möglich. Nun steht Ostafrika aber vor einer neuen Herausforderung: Die Coronapandemie hat den Kontinent erreicht. Die Sorge wächst, dass der Lockdown auch die Malariabehandlung beeinträchtigt, und so viel grösseren Schaden anrichtet als das Coronavirus selbst. Eine nachhaltige Prävention auch gegen die alt bekannten Krankheiten wäre gerade jetzt wichtiger denn je.
Kommentar:
Nun muss die Politik handeln
Der ganzheitliche Ansatz des Integrier ten Vektormanagements (IVM) in der Malariabekämpfung funktioniert. Das konnten wir mit dem langjährigen «Stopp Malaria»-Projekt beweisen, das Biovision seit 2005 unterstützt. Zu Beginn des Projekts waren ca. 40 Prozent der Menschen im Malindi Subcounty mit Malaria infiziert. Heute liegt der Anteil bei lediglich drei bis fünf Prozent. Die Mücken-Populationen wurden in dieser Zeit um etwa 75 Prozent reduziert. Diese Zahlen sprechen für sich.
IVM wirkt sich auch positiv gegen Virus-Krankheiten aus, die von Mücken übertragen werden: Denguefieber, Gelbfieber, Chikungunya und Elephantiasis gingen im Projektgebiet ebenfalls zurück. Das freut mich sehr, und es macht mir Mut.
Nun liegt es an den lokalen und nationalen Entscheidungsträgern, den IVM-Ansatz als Strategie für die Malariabekämpfung aufzunehmen und die entsprechenden Mittel zu sprechen. Doch hier gibt es Widerstände, politische Entscheidungsträger, die IVM mit Einbezug der Bevölkerung als zu kompliziert erachten. Sie lobbyieren für Einzelmassnahmen mit synthetischen Insektiziden. Darum gilt es für uns, den politischen Willen mit wissenschaftlichen Argumenten für IVM zu beeinflussen.
Mit gut 241‘500 km2 ist Uganda nahezu 6 Mal so gross wie die Schweiz. Ungefähr ein Fünftel seiner Fläche besteht aus Seen, Sumpfgebieten und Flüssen, was es zum wasserreichsten Land Ostafrikas macht, in dem unter anderem auch der Weisse Nil entspringt.
