«Um die Klimakrise zu lösen, brauchen wir ein Umdenken»

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Laura Angelstorf, Biovision (Interview), Headerbild: Matthew Tenbruggen

Der Einfluss der Landwirtschaft und des Ernährungssystems auf das Klima wurde bei den Klimaverhandlungen bisher vernachlässigt. Biovision hat sich in den letzten Jahren für eine agrarökologische Transformation zur Bewältigung des Klimawandels eingesetzt und war auch dieses Jahr an der Klimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich präsent. Wir haben mit Tanja Carrillo aus unserem Policy & Advocacy-Team darüber gesprochen, ob uns diese Konferenz einen Schritt weiter gebracht hat in Richtung Klimaschutz.

Es ist umstritten, ob es Konferenzen wie die COP27 überhaupt braucht, um Fortschritte im Klimaschutz zu erreichen. Ist die Klimakonferenz noch wichtig?

Ja, absolut. Die Klimakrise ist zweifelsohne die grösste Katastrophe unserer Zeit. Das Biovision-Team Policy & Advocacy konnte in den letzten Jahren im Rahmen der UN-Klimakonferenzen das Bewusstsein für die Rolle der Ernährungssysteme in dieser Krise schärfen. Seit Jahren drängen wir darauf, die Agrarökologie als systemische Lösung zur Bewältigung der Krise anzuerkennen und umzusetzen. Auf der COP27 in Scharm el Scheich, wurde das Ernährungssystem zum ersten Mal zum heissen Thema: mit vier Pavillons vor Ort, über 200 Nebenveranstaltungen und einem ganzen Thementag über die Landwirtschaft und deren Anpassung an den Klimawandel.

Ein schnelles Bild mit dem Handy: Tanja Carrillo, Biovision, mit den Vertreterinnen Nancy Rapando, Mary Irungu und Manei Naanyu (v.l.n.r.) vom Projektpartner PELUM Kenia.

Trotzdem passiert konkret noch sehr wenig, wenn man bedenkt, dass die Landwirtschaft für rund ein Drittel der weltweiten klimaschädlichen Emissionen verantwortlich ist.

Dass es auf der diesjährigen COP mehrere Pavillons zum Thema Landwirtschaft gab, deutet auf ein neues Interesse am Zusammenhang von Klima und Ernährungssystem hin. Doch die anwesenden Akteur:innen vertraten sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine nachhaltige Umgestaltung der Ernährungssysteme aussehen solle. Einige Pavillons wurden von grossen Agrarunternehmen und Herstellern synthetischer Düngemittel wie Bayer, Pepsico, YARA und Syngenta gesponsert. Sie propagieren schnelle technische Lösungen anstelle einer agrarökologischen Umgestaltung der Ernährungssysteme. Damit sichern sie sich ihr Geschäftsmodell – allerdings auf Kosten der Allgemeinheit. Auf der anderen Seite werden die Stimmen von Akteur:innen der Zivilgesellschaft lauter, die einen Paradigmenwechsel verlangen. Unsere lokalen Partner aus dem Netzwerk PELUM Kenia haben zum Beispiel in mehreren Veranstaltungen über ihre politische Arbeit zur Agrarökologie im Land berichtet, die Biovision unterstützt. Eine besondere Erfolgsgeschichte war, dass kürzlich ein Agrarökologiegesetz im County Murang’a (lesen Sie hier eine Geschichte über eine agrarökologische Bauerngruppe in Murang’a) verabschiedet wurde.

Heisst das, dass inzwischen auch die Stimmen der Kleinbäuerinnen und –bauern gehört werden, die bekanntlich am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden?

Viele kritisieren, dass die Stimmen der afrikanischen Kleinbäuerinnen und –bauern in Ägypten wieder einmal übergangen wurden. Ihre Forderung nach einer Umstellung der Ernährungssysteme auf die Agrarökologie blieb ungehört, obwohl es der günstigere Weg für effektive Klimaschutzmassnahmen ist. Leider hat diese COP keine konkreten Umsetzungsmassnahmen entwickelt und endete lediglich mit einigen vagen Verpflichtungen und Versprechen. Um die Klimakrise zu lösen, brauchen wir aber ein Umdenken – weg von der hochemittierenden industriellen Landwirtschaft und den Lebensmittelmonopolen der Konzerne hin zu einer agrarökologischen Zukunft.

«Viele kritisieren, dass die Stimmen der afrikanischen Kleinbäuerinnen und –bauern in Ägypten wieder einmal übergangen wurden.»
Tanja Carrillo, Junior Programmverantwortliche Policy & Advocacy-Team

Auf UNO-Ebene spricht man vom Koronivia-Prozess, wenn es um den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Klima geht. Sollte dieser Prozess nicht genau dafür da sein, um Konzepte wie die Agrarökologie für ein nachhaltiges Ernährungssystem zu fördern?

Richtig, nach der COP26 in Glasgow wurde der Begriff Agrarökologie in den Beschlussentwurf des «Koronivia Joint Work on Agriculture» aufgenommen. Es ist derzeit das einzige Programm innerhalb der Klimarahmenkonvention der COP23 in Rio de Janeiro, das sich auf Landwirtschaft und Ernährungssicherheit konzentriert. Leider wurde diese nach aufwändigen Verhandlungen getroffene Entscheidung, unter anderem auf Drängen der USA, in diesem Jahr wieder rückgängig gemacht und weder die Agrarökologie noch ein anderes systemisches Konzept wurden im Ergebnis berücksichtigt. Auch die von der ägyptischen Regierung und der Welternährungsorganisation FAO in diesem Jahr ins Leben gerufene «Food and Agriculture for Sustainable Transitions Initiative (FAST)» festigt eine bestehende industrielle Logik. Es macht den Eindruck, als wären die Prozesse weiterhin stark von den Interessen einiger Grosskonzerne beeinflusst. Trotzdem gibt es Hoffnung. Bei einer von Biovision mitorganisierten Veranstaltung äusserten sich sogar Organisationen wie AGRA – eher als Verfechterin der industriellen Landwirtschaft bekannt – positiv zu Ansätzen wie Agrarökologie.

Es gibt also Silberstreifen am Horizont. Wo siehst du denn einen Hebel, der die Agrarökologie stärken kann, um klimaresiliente Ernährungssysteme zu schaffen?

Im Rückblick auf die diesjährige COP bleibt die Finanzierung eine grosse Herausforderung. Auch wenn sich die Delegierten in letzter Minute darauf geeinigt haben, Geld für klimabedingte Verluste und Schäden für gefährdete Länder bereitzustellen. Es besteht aber ein Bedarf an neuen, zugänglichen und vorhersehbaren Mitteln vor allem für kleine und mittlere agrarökologische Unternehmen. Biovision verstärkt deshalb ihr Engagement in diesem Bereich, indem wir zwischen Unternehmerinnen und Geldgebern vermitteln und den Zugang zu unternehmerischem Wissen erleichtern.

Side Event im Food4Climate Pavilion mit IPES-Food und IFOAM (Von rechts nach links: Karen Mapusua, Veronica Ndetu, H.E. Hailemariam Desalegn, Susan Chomba und Mamadou Goita)

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