Gesunder Boden ist Leben

Von

Azadeh Farajpour Javazmi, Gründerin von «betterSoil - for a better world»

Der Boden ist die Grundlage für das Leben auf der Erde und spielt eine wesentliche Rolle beim Klimaschutz. Welche erstaunlichen Funktionen der Boden übernimmt und dadurch zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beiträgt, erfahren Sie in diesem Bericht.

Der Boden ist die Haut unseres Planeten Erde. Stellen Sie sich die Schale eines Apfels vor, nur grösser. Sie produziert Nahrung und Futter für alles Leben auf der Welt! Es handelt sich um eine sehr dünne Schicht, die in manchen Regionen nur bis zu einem Meter dick ist. Diese Schicht enthält Mineralien und Nährstoffe, die für das menschliche Leben und die Gesundheit unerlässlich sind. Der Mensch ist ein komplexer Organismus. Wissenschaftlerinnen und Ärzten fällt es schwer, die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten unseres Körpers und unseres Geistes vollkommen zu verstehen. Die dünne Schicht namens Boden ist jedoch das komplexeste System auf der Erde, in dem verschiedene Pflanzen, Tiere und Mikro-Organismen interagieren. Ein Teelöffel Boden enthält mehr lebende Organismen, als es Menschen auf der Welt gibt. Ohne diese biologische Vielfalt gäbe es kein Leben auf unserem Planeten.

Letztes Jahr stellte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) fest:

«Gesunde Böden [sind] […] Voraussetzung für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung»
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO

Je nachdem, wie wir Menschen die Böden behandeln und bewirtschaften, können sie aktiv die menschliche Gesundheit fördern und zur Erfüllung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN-Agenda 2030 beitragen (siehe auch Biovisions Engagement bei den SDGs). Gesunder Boden ist die Grundlage für den Anbau von Nutzpflanzen und er sichert gleichmässige Ernteerträge. Diese langfristigen Vorteile gesunder Böden leisten vor allem im globalen Süden einen positiven Beitrag zur Ernährungssicherheit und Einkommensbildung. Damit tragen sie zu einer Welt ohne Armut (SDG 1 «Keine Armut») und ohne Hunger (SDG 2 «Kein Hunger») bei.  

Illustration über den Beitrag des Bodens zur Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele
Die Grafik visualisiert die Funktionen gesunder Böden und wie diese zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen.

Gesunder Boden ist Leben

In humusreichen Böden sind die Bodenteilchen aneinandergebunden. Diese Eigenschaft verhindert zum einen die Bodenerosion durch Wasser sowie Wind und verringert dadurch die Bodendegradation. Andererseits verbessert sie die Bodenstruktur, macht die Nahrungsmittelproduktion widerstandfähiger und erzeugt mehr Nahrungs- und Futtermittel pro Flächeneinheit für Mensch und Tier.

Der Boden enthält Milliarden von Mikroorganismen. Bakterien und Pilze tummeln sich in grosser Vielfalt und -zahl. Sie schützen die Pflanzenwurzeln, verbessern und stimulieren die Pflanzengesundheit und fördern die menschliche Gesundheit durch ihre Stoffwechselprodukte. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Endophyten (Erläuterung siehe im Kasten «Mehr Informationen») neue Stoffwechselprodukte wie Antibiotika, Antimykotika, Immunsuppressiva und Antikrebsmittel produzieren, die sich positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken. Und nicht nur das: Gesunde Böden, die reich an Humus sind, fördern die Pflanzengesundheit und helfen, aus dem Boden kommende Pflanzenkrankheiten zu unterdrücken. Sie wirken wie ein Schwamm und binden die Krankheitserreger. Indem sie deren Bewegung einschränken, verhindern sie, dass Krankheitserreger zum Menschen gelangen. Diese Eigenschaft wirkt sich in direkter Weise auf eine bessere Gesundheit und ein höheres Wohlbefinden aus (SDG 3 «Gesundheit und Wohlergehen»).

Mehr Informationen

Endophyten werden Lebewesen, meist Pilze oder Bakterien bezeichnet, welche im Inneren des Vegetationskörpers einer Pflanze leben. Während manche Endophyten Krankheitssymptome hervorrufen, verursachen andere keine Schäden und können sogar in einem symbiotischen Verhältnis zu ihrer Wirtspflanze stehen, indem sie Substanzen produzieren, welche den Wuchs der Pflanze fördern oder ihre Stresstoleranz erhöhen.

Antimykotika ist eine antimikrobielle Substanz, die gegen durch Pilze verursachte Erkrankungen wirkt.

Die Gesundheit des Bodens kann durch ökologische landwirtschaftliche Praktiken und Methoden wie Agrarökologie direkt gefördert werden. Einerseits erhöhen solche Methoden den Humusgehalt des Bodens, der ein wesentlicher Faktor für dessen Gesundheit und dessen Fruchtbarkeit ist, und damit auch die biologische Vielfalt, da im Humus viele wichtige Organismen leben. Andererseits fördern nachhaltige Landwirtschaftspraktiken, dass der Boden durch die Pflanzen bedeckt und geschützt wird und sich die Artenvielfalt erhöht. So ermöglicht eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung eine vielseitige Ernährung. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen aus (SDG 3 «Gesundheit und Wohlergehen»).

Eine Seite aus dem Buch bettersoil mit wertvollen Tipps zum Bodenschutz.
Das schlanke betterSoil-Buch soll zur Stärkung des Bewusstseins für die Bedeutung gesunder Böden beitragen. ZVG betterSoil

Schutz und Mittel gegen den Klimawandel 

Humusreiche Böden tragen auch zum SDG 13 «Massnahmen zum Klimaschutz» bei. Sie binden und entfernen grosse Mengen an CO2 sowie anderen Treibhausgasen und binden sie in ober- und unterirdischer Biomasse. Massnahmen, die die Bodengesundheit fördern und den Humusanteil in den Böden erhöhen, können aktiv zum Klimaschutz beitragen und gleichzeitig die Anpassung an die sich verändernden klimatischen Bedingungen unterstützen. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass gesunde Böden bis zu 25 Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar binden können. Eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber den sich ändernden klimatischen Bedingungen fördert gleichzeitig alle anderen SDGs.  

Die Funktionen des Bodens 

Gesunde Böden entgiften die Umwelt auf und im Boden, indem sie Schadstoffe binden. Sie erleichtern auch den Abbau von Schadstoffen aus der Luft und aus dem (Regen-)Wasser, nachdem sie diese gebunden haben. Mit anderen Worten: Gesunde Böden versorgen uns mit sauberem Wasser, indem sie Regenwasser filtern und reinigen, das dann zu Grundwasser wird (SDG 6 «Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen»). Indem sie verhindern, dass Schadstoffe in Gewässer gelangen, tragen Böden sogar zum Schutz des Lebens unter Wasser bei (SDG 14 «Leben unter Wasser»).  

Eine hohe Artenvielfalt im Boden ist der wichtigste Faktor für gesunde Böden. Dies ist auch eine gute Nachricht für Landwirt:innen, denn je gesünder der Boden und je höher der Humusgehalt, desto höher sind die Erträge pro Flächeneinheit. Da die Landwirtschaft ein Sektor ist, in dem viele Menschen beschäftigt sind – insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen – tragen gesunde Böden zum wirtschaftlichen Wohlstand bei (SDG 8 «Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum»). Ein hoher Anteil der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen sind Frauen. Durch die Stärkung dieses Sektors und die Stabilisierung der Nahrungsmittelproduktion verringert die Verbesserung der Böden auch Ungleichheiten (SDG 5 «Geschlechtergleichheit», SDG 10 «Weniger Ungleichheiten»).   

In Zeiten von Wüstenbildung und allgemeiner Bodendegradation verringert dies das Bedürfnis von Gemeinschaften auf der ganzen Welt, die für die Nahrungsmittelproduktion genutzten Flächen auszuweiten. Gesunde Böden können also die biologische Vielfalt in Wäldern, Feuchtgebieten und Mooren erhalten, indem diese eher unberührt bleiben (SDG 15 «Life on Land»). 

Warum es sich lohnt, die Haut der Erde schützen 

Wie oben dargestellt, sind die Eigenschaften gesunder Böden vielfältig. Wie der aktuelle Krieg in der Ukraine und die zu erwartende Nahrungsmittelkrise drastisch aufzeigen, ist unser Ernährungssystem international verwoben. Dies bedeutet, dass im Bereich der Landwirtschaft, aber auch darüber hinaus, Formen der Zusammenarbeit zwischen Kontinenten und Ländern auch ausgehend von Diskussionen über Bodengesundheit (SDG 17 «Partnerschaften zur Erreichung der Ziele») ermöglicht und beschleunigt werden können. Der Aufbau von Humus kann die Ernährungsgrundlage der Menschen auf vielfältige Weise verbessern und gleichzeitig das Konfliktpotenzial um knappe Ressourcen wie Wasser und Ackerland verringern – und damit den Frieden durch wirtschaftliche und ökologische Vorteile für die jeweiligen Gemeinschaften fördern. Darüber hinaus können Aktivitäten und Projekte zur Bodenverbesserung die Grundlage für die institutionelle Zusammenarbeit zwischen Ländern und Kontinenten bilden, was wiederum den Aufbau von Institutionen erfordert. Dies fördert das SDG 16 «Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen». 

Wir sollten die Chance ergreifen und unsere Böden verbessern. Denn die Förderung unserer Böden hat riesiges Potential eine positive Wirkung für Leben auf der Erde zu entfalten.

Über die Autorin und «betterSoil - for a better world»

Azadeh Farajpour Javazmi, ist die Gründerin von «betterSoil – for a better world». Seit 2021 ist sie assoziiertes Mitglied des Club of Rome und arbeitete von 2018-2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut FAW/n in Ulm, Deutschland.

Von der Theorie zum Handeln vor Ort  

Einhergehend mit der Verschärfung der Klimakrise hat das Interesse am Thema Böden für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in den letzten Jahren wieder zugenommen. Die von der Autorin ins Leben gerufene Initiative «betterSoil – for a better world» zum Beispiel findet seit ihrer Gründung vor eineinhalb Jahren grossen Anklang. Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis unterstützen die Initiative, die die herausragende Bedeutung der Böden hervorhebt. Dazu gehören Ernst Ulrich von Weizsäcker (Ehrenpräsident des Club of Rome), Mamphela Ramphele (Co-Präsidentin des Club of Rome), die Pflanzenkohle-Expertin Claudia Kammann und der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler.  

Portrait von Azadeh Farajpour, Initiantin von bettersoil.

Weitere Beiträge

Wissen

Kampf gegen die Wüste

Der 17. Juni ist der Welttag zur Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre. Auch viele Projekte von Biovision versuchen der verstärkten Wüstenbildung und ihren verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt entgegenzuwirken. Ein Interview mit Rani Nguyen, Programmverantwortlicher bei Biovision, über unseren Einsatz in Äthiopien.
Politik

Die Schweizer Ernährungszukunft ist agrarökologisch

Das Schweizer Ernährungssystem ist Treiberin und Leidtragende verschiedener Krisen und Probleme, wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust und soziale Ungleichheiten. Deshalb fördert Biovision die Agrarökologie – für eine nachhaltigere Ernährungszukunft.
Wissen

Die Schweizer Leuchttürme der Agrarökologie

Mit erfolgreichen Praxisbeispielen der Agrarökologie, den sogenannten «Leuchttürmen», zeigt Biovision die Zukunft unseres Ernährungssystems.
Landwirtschaft

Bienen helfen, Sansibars Mangroven wieder aufzuforsten

Biovision stärkt auf Sansibar eines der wichtigsten Ökosystem Westafrikas: Mangrovenwälder. Dabei setzen wir nicht nur auf die Wiederaufforstung der kostbaren Wälder, sondern auch auf eine ganz besondere Gruppe von Helferinnen – afrikanische Honigbienen.