Agrarökologischer Aufbruch in Murang’a

Von

Laura Angelstorf, Biovision

Um die Ernährungssicherheit der Menschen in Murang’a langfristig zu gewährleisten, wurde Agrarökologie im kenianischen Bezirk gesetzlich verankert. Biovision unterstützte dabei sowohl die lokalen Behörden wie auch die Bevölkerung.

In dem 50 Kilometer nördlich von Nairobi liegenden Bezirk Murang’a hat 2022 das
Parlament ein Gesetz («Murang’a County Agroecology Development Act») ratifiziert,
das die Agrarökologie als Weg in die langfristige Ernährungssicherheit festschreibt.
Ziel ist unter anderem, nur noch mit nachhaltigen Anbaumethoden zu arbeiten. Damit
ist eine wichtige politische Weiche gestellt, um das UN-Nachhaltigkeitsziel 2 «Kein
Hunger» in Murang’a bis 2030 tatsächlich zu erreichen. In der Vergangenheit wurden hier chemisch-synthetische Pestizide so unkontrolliert eingesetzt, dass Avocados und andere Früchte aufgrund der hohen Pestizidrückstände nicht mehr in den  uropäischen Markt exportiert werden durften. Damit fiel ein Grossteil des Absatzmarkts für die Bäuerinnen und Bauern weg und die Dringlichkeit, eine nachhaltige Lösung zu finden, wuchs.

Der Bezirk Murang’a nimmt eine Pionierrolle ein

Biovision arbeitet gemeinsam mit Partnerorganisationenin sechs Counties, vergleichbar mit den Schweizer Kantonen, auf politischer Ebene an nachhaltigen Lösungen im Ernährungssystem. Besonders erfreulich ist, dass das Gesetz nun in jenem Bezirk ratifiziert wurde, der als eines der wichtigsten Gemüseanbaugebiete Kenias gilt: Murang’a. Dort hat unsere Partnerorganisation Institute for Culture and Ecology (ICE) den Prozess zur Ausarbeitung des Gesetzes mit der Bevölkerung geleitet und wurde dabei massgeblich von Biovision unterstützt. Fabian Kohler, Verantwortlicher für agrarökologische Entwicklungsprojekte bei Biovision, sieht in dieser Erfolgsgeschichte aus Murang’a eine grosse Chance: «Jetzt haben die Bäuerinnen und Bauern eine klare Orientierung, wie sie ihre Produktion zukunftsfähig aufbauen können. Und über unsere Partnerorganisationen unterstützen wir sie gezielt
in der Umstellung auf agrarökologische Methoden.»

Biovision Kenia Muranga Agraroekologischer Aufbruch
Der «Agroecology Development Act» verbessert die Situation von zehntausenden Kleinbauernfamilien im Bezirk Murang'a, Kenia, zu denen auch Bio-Bäuerin Joyce Wangari aus Kianjugu gehört.

Betroffene zu Beteiligten machen

Für die Entstehung des Gesetzes trafen sich Kleinbäuerinnen und -bauern mit Vertreter: innen aus Politik, Forschung und Wirtschaft. In branchenübergreifenden Gruppen wurden thematische Schwerpunkte diskutiert und gemeinsam wurden Lösungen für spezifische Probleme erarbeitet, wie beispielsweise für den hohen Pestizideinsatz in der Region. Im Plenum wurden dann die Ergebnisse vorgestellt und erörtert. Ein Steuerungsausschuss stellte sicher, dass diese Ergebnisse in den Gesetzesvorschlag einflossen (den Ansatz, alle Akteur:innen an einen Tisch zu bringen, wendet Biovision auch in der Schweiz an, siehe Beitrag S. 8/9).
Faith Gikunda ist Projektkoordinatorin beim ICE und hat den Prozess in Murang’a geleitet: «Bei diesem Vorgehen müssen viel Geld und Ressourcen aufgewendet werden, bevor man Ergebnisse sehen kann. Einige Organisationen haben uns beim Drucken von Flyern für das Bewerben von Veranstaltungen oder bei der Verpflegung der Teilnehmenden unterstützt. Aber den Prozess massgeblich finanziert und damit ermöglicht hat Biovision.» Seit der Reform der Verfassung in Kenia 2010 ist die aktive Beteiligung der Bevölkerung bei der Entwicklung neuer Gesetze festgeschrieben. Doch Umsetzungsbeispiele gibt es noch wenige. Faith Gikunda strahlt, wenn sie über den gelungenen Prozess spricht: «Wir sind Pioniere. Niemand sonst hat das bisher so umgesetzt und wir sind Vorreiter für viele weitere Initiativen.» Bereits laufen ähnliche Vorstösse für nachhaltige Ernährungssicherheit in Kenia. Sie folgen dem Beispiel Murang’a, wo die Bezirksregierung bereits angekündigt hat, einen Ausbildungsplan für agrarökologische Praktiken zu entwickeln und 10 % des Budgets für Landwirtschaft in die Agrarökologie zu investieren.

Video des Fernsehsenders NTV Kenya über die Feier zur Annahme des «Agroecology Development Act». Mit Stimmen unserer Partnerorganisation Institute for Culture and Ecology, ICE. (Nur auf Englisch verfügbar.)

Starkes Netzwerk als Schlüssel zum Erfolg

Der Erfolg in Murang’a beruht nicht zuletzt darauf, dass Biovision über die letzten Jahrzehnte ein starkes Netzwerk aufgebaut hat und das Vertrauen vieler lokaler Organisationen geniesst. Hans von Zinkernagel, Verantwortlicher für Politikdialog-Projekte bei Biovision, erklärt den Ansatz so: «Es ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem ICE, die es uns ermöglicht, langfristig gesetzte Ziele zu erreichen, wie die Stärkung der Menschen vor Ort und die Förderung geeigneter politischer Rahmenbedingungen.» Das ICE ist seit über 15 Jahren in den Bereichen Agrarökologie und Politikdialog tätig. Seine Mitarbeitenden stehen täglich im Austausch mit Bäuerinnen und Bauern und kennen die lokalen Gegebenheiten.
Wie in Murang’a wirkt Biovision immer öfter gleich an zwei Stellen entscheidend mit: Auf politischer Ebene unterstützen wir Multi-Stakeholder-Plattformen und  leinbäuerinnen und -bauern erhalten auf praktischer Ebene Unterstützung und werden in agrarökologischen Anbaumethoden geschult. Im vergangenen Jahr unterstützte Biovision auf diese Art 20 Multi-Stakeholder-Plattformen und informierte gemeinsam mit lokalen Partnern über 2500 Menschen über die Mitwirkung und -gestaltung von politischen Rahmenbedingungen in Ernährungssystemen. 

Gestärkte lokale Akteur:innen und förderliche Rahmenbedingungen für die Agrarökologie

Um unsere Ernährungssysteme nachhaltig  zu verändern, setzt sich Biovision für förderliche Rahmenbedingungen ein, die zur Verbreitung der Agrarökologie auf allen Ebenen beitragen. Dazu bringen wir politische Entscheidungstragende, Forscher:innen und institutionelle Geldgebende zusammen, zeigen Lösungs-
wege auf und wirken als Katalysator. Lokalen Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Forschung, klein- und mittelständischen Unternehmen und Politik vermitteln wir relevantes Systemwissen. Dies ermöglicht ihnen, sich in ihrem Umfeld für eine Veränderung zu engagieren. 

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