«Die Wirkungsstudie hat uns gezeigt: Wir tun das Richtige!»

Von

Patricio Frei, Biovision.

Statt sich gegenseitig anzugreifen, haben Viehhalter- und Bauernfamilien in Tansania gelernt, wie sie wirtschaftlich voneinander profitieren. Im Interview gibt Salma Yassin, zuständige Projektverantwortliche bei Sustainable Agriculture Tanzania (SAT), Einblick in ihre Arbeit und ihre Erfahrungen.

Warum ist dieses Projekt für die Viehhalter- und Bauernfamilien wichtig?

Weil es die drängenden Probleme der Ressourcenknappheit und Konflikte angeht. Das Projekt verbessert durch agrarökologische Praktiken die Lebensgrundlage der Bauern- und Viehhalterfamilien: Das Fördern nachhaltiger Praktiken und der lokalen Kreislaufwirtschaft kommt allen zugute – und die Konflikte haben drastisch abgenommen.

Was ist die grösste Herausforderung bei diesem Projekt?

Die Auswirkungen des Klimawandels haben zu unvorhersehbaren Wetterbedingungen geführt: Es gibt öfters späte heftige Regenfälle. Treten diese auf, nachdem die Bäuerinnen und Bauern bereits ihre Felder bestellt haben, beeinträchtigten sie das Wachstum und den Ertrag der Pflanzen und des Weidelands. Vermehrt erleben wir aber auch Trockenzeiten, die das Wachstum der Pflanzen erheblich hemmen.

Salma-Yassin-Portrait

Salma Yassin

Salma Yassin ist zuständige Projektverantwortliche bei Sustainable Agriculture Tanzania (SAT).

Können Sie eine Anekdote aus Ihrer Arbeit mit den Viehhaltern und den Bäuer:innen erzählen, die die Auswirkungen verdeutlicht?

Eine denkwürdige Erfahrung aus unserer Arbeit betraf eine Gemeinde im Bezirk Mvomero in der Region Morogoro, wo die Konflikte um Weideland während der Trockenzeit besonders intensiv waren und manchmal zu Verletzungen oder sogar Todesfällen führten. Im Rahmen des Projekts haben wir verschiedene Praktiken wie Weideanbau, natürliche Grasbewirtschaftung und Lagerung des geernteten Weidelands eingeführt. Diese Praktiken waren für die Viehhalter zu dieser Zeit neu. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Das geerntete und gelagerte Weideland diente vor allem in der Trockenzeit als lebenswichtiges Tierfutter, so dass die Viehhalter ihr Vieh nicht mehr ständig auf der Suche nach Weideland bewegen mussten.

Darüber hinaus haben wir einen lokalen Ansatz der Kreislaufwirtschaft umgesetzt, der die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und den Austausch zwischen Bauern- und Viehhalterfamilien erleichtert. Die Bäuerinnen und Bauern tauschten ihre Ernterückstände gegen tierischen Dünger von den Viehhaltern ein und verbesserten so die Bodenfruchtbarkeit und die Ernährung des Viehs.

Was geschah dann?

Anfänglich stiessen wir auf Zweifel und Widerstand bei beiden Gruppen, die daran gewöhnt waren, sich gegenseitig als Gegner zu betrachten. Aber die Vorteile unseres Ansatzes wurden bald deutlich. Während einer Sitzung stand eine Bäuerin auf und erzählte, dass sie einst die Ankunft der Viehhalter auf ihrem Land gefürchtet hatte, diese nun aber als Partner in der nachhaltigen Landbewirtschaftung willkommen hiess. Ein Viehhalter drückte seine Dankbarkeit aus, dass er gelernt habe, Weidegras für die Trockenzeit aufzubewahren und für den kooperativen Austausch mit den Bäuerinnen und Bauern. Dies zeigt, wie das Projekt Einstellungen und Verhaltensweisen verändert hat.

Viehhalter Kaspeni Mkurumbwe inmitten seiner Herde.

Was hat Sie an der Wirkungsstudie am meisten überrascht oder beeindruckt?

Das waren die Ergebnisse aus den Bezirken Kilosa, Same und Hanang‘, wo wir auf den Erfahrungsaustausch von Bauern- und Viehhalterfamilien setzten. Überraschenderweise gab es in diesen Bezirken beeindruckende Ergebnisse, darunter ein höheres Einkommen, höhere Erträge und eine grössere Akzeptanz für agrarökologische Praktiken. Diese Erkenntnis hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass der Erfahrungsaustausch der richtige Weg ist.

Warum soll Biovision Geld für eine Wirkungsstudie ausgeben, anstatt es in die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen zu investieren?

Diese Ausgaben waren wichtig, da sie sehr nützliche Erkenntnisse darüber lieferten, welche Komponenten des Projekts am effektivsten waren und zu den grössten Auswirkungen führten. So zeigte sich beispielsweise, dass die Einführung agrarökologischer Praktiken, die zu einer Steigerung der Ernteerträge führten, die Lebensbedingungen der Bauernfamilien veränderte, während die Einführung verbesserter Viehrassen die Lebensbedingungen der Viehhalterfamilien am stärksten veränderte. Diese Erkenntnisse ermöglichten uns, die wirkungsvollsten Komponenten des Projekts auszuweiten und so die Lebensbedingungen der Menschen besser und schneller zu verbessern. Die Wirkungsstudie hat uns gezeigt: Wir tun das Richtige!

Bäuerin Mercy Meena pflegt ihre Pflanzen.

Was motiviert Sie persönlich?

Das Wissen, dass wir jeden Tag dazu beitragen, die Lebensbedingungen zweier einst verfeindeter Gemeinschaften zu verbessern. Es erfüllt mich mit grosser Genugtuung, zu sehen, dass wir ein friedliches Umfeld geschaffen haben, in dem die Menschen die verfügbaren Ressourcen durch agrarökologische Praktiken nachhaltig und effizient nutzen, was auch künftigen Generationen zugutekommt.

Was sind die nächsten Schritte?

Nun weiten wir die Ansätze dieses Projekts auf andere Regionen aus, in denen Konflikte zwischen Bauern- und Viehhalterfamilien weit verbreitet sind. Dabei setzen wir auf den Erfahrungsaustausch: Ausgewählte Bäuerinnen und Viehhalter absolvieren mehrere Schulungen im SAT Farmers Training Centre. Ihr Wissen werden sie dann in ihren Gebieten an andere Bäuerinnen und Viehhalter weitergeben.

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