Mit Rosmarin und Chili die Tomaten schützen

Von

Patricio Frei und Noor Khamis (Bilder)

Eine Pflanze vertreibt den Schädling, eine andere lockt ihn an – die Push-Pull-Methode hat schon viele Maisernten gerettet. Doch funktioniert sie auch bei Tomaten und der gefürchteten Tomatenminiermotte? Mit ihrer Forschung leisten drei Studentinnen am Insektenforschungsinstitut icipe einen wichtigen Beitrag zu unserem Tomaten-Projekt in Kenia.

Sie schreiben alle ihre Masterarbeit – Marrieter Mbula Kisese und Bilha Atieno Owala studieren Biotechnologie, Winnie Wanjiku Nguru Agrarökonomie. Im Interview berichten sie von ihrer Forschung im Rahmen unseres Projekts für nachhaltigen Tomatenanbau und ihren Erfahrungen als Frauen in der von Männern dominierten Landwirtschaft.

Was genau untersuchen Sie drei?  

Marrieter Mbula Kisese:  
Ich erforsche, welche Pflanzen den Tomatenschädling Tuta absoluta vertreiben können. Dafür teste ich derzeit Rosmarin, Knoblauch, Fettgras und Koriander. Um ihre Wirkung zu erforschen, führe ich Verhaltenstests durch: In einem sogenannten Y-Rohr wähle ich zwei Duftquellen – zum Beispiel Tomate und Rosmarin. Dann setze ich Tuta absoluta in das Rohr. Ein leichter Luftstrom transportiert die Düfte zu den Insekten, die sich entscheiden müssen, in welche Richtung sie sich bewegen. Gehen sie zur Tomate, kann dies ein Hinweis sein, dass Rosmarin ein taugliches Abwehrmittel ist. Zusätzlich prüfe ich, ob eine Pflanze nicht nur den Schädling vertreibt, sondern auch dessen natürlichen Feind – die Schlupfwespe Dolichogenidea gelechiidivoris – anlockt. Im Idealfall erfüllt die Pflanze beide Funktionen. 
 
Bilha Atieno Owala:  
Ich hingegen suche nach Pflanzen, die Tuta absoluta anlocken – also Pflanzen, die der Schädling bevorzugt befällt. Gleichzeitig sollen diese Pflanzen auch natürliche Gegenspieler wie die Schlupfwespe anziehen, damit diese dort ihre Eier ablegen und die Schädlinge bekämpfen. Derzeit teste ich verschiedene Kandidaten: Schwarzen Nachtschatten, Riesen-Nachtschatten, wilde Süsskartoffel und wilden Chili. Die Bäuerinnen und Bauern sollen diese Pflanzen am Rand ihrer Felder anbauen und auch nach der Ernte stehen lassen, damit sie die natürlichen Feinde beherbergen können. 
 
Winnie Wanjiku Nguru:  
Und ich beschäftige mich mit den sozialen und wirtschaftlichen Aspekten des Projekts. In einer Kosten-Nutzen-Analyse untersuche ich, welchen Ertrag die Bauernfamilien mit der Push-Pull-Methode erzielen – im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft. Zudem interessiert mich, wie sich das Projekt auf die Rolle der Frauen auswirkt. In Kenia ist der Tomatenanbau bisher nämlich stark von Männern geprägt. Besonders spannend ist die Frage, wie sich Wissen in der Gemeinschaft verbreitet. Deshalb untersuche ich, ob soziale Anerkennung – etwa in Form eines Zertifikats – Bäuerinnen und Bauern motiviert, das Gelernte an andere weiterzugeben. Denn am Ende geht es genau darum: dass möglichst viele Menschen von diesem Projekt erfahren – und sich beteiligen.

Wie ergeht es Ihnen als weibliche Forscherinnen in der von Männern dominierten Landwirtschaft?  

Kisese:  
Für uns Frauen ist es manchmal sogar einfacher, Wissen zu vermitteln. In der Massai-Gesellschaft ist es für Männer nicht erlaubt, sich einfach so mit einer Gruppe Frauen zu treffen – das könnte zu Konflikten führen. Als Frau hingegen kann ich mit allen reden, mit Frauen genauso wie mit Männern.  

Nguru:  
Ich wurde von den Massai herzlich aufgenommen. Dabei fiel mir auf: Männer konzentrieren sich oft auf den Verkauf von Produkten, während Frauen eher an eine ausgewogene Ernährung für ihre Kinder denken. Deshalb ermutige ich die Frauen, Mischkulturen anzubauen. Gleichzeitig sind sie es, welche die meiste Feldarbeit leisten.

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Soziale Anerkennung als Motivation, um Gelerntes weiterzugeben; Schulungsteilnehmer Nick Nkobuirr mit seinem Zertifikat.

Bedeutet das, dass wir mit den Männern die falschen Personen erreichen?  

Nguru:  
Mann muss sicherlich auch an die Frauen denken. Ein Beispiel: Oft fangen Schulungen zu früh an. Die meisten Frauen sind Mütter – morgens versorgen sie ihre Kinder, ziehen sie an, kochen für sie. Bis sie damit fertig sind, ist der Workshop oft schon vorbei. Für Männer ist das einfacher. Sie stehen auf und gehen direkt zur Schulung. Deshalb haben wir die Startzeiten angepasst: Heute beginnen wir meist um 10 oder 11 Uhr. Das grösste Hindernis ist: Männer geben ihr Wissen kaum weiter. Frauen hingegen reden mehr miteinander. Wenn sie etwas verstanden haben, teilen sie es mit anderen. Das macht sie zu wichtigen Multiplikatorinnen für unser Projekt.

Wie viel arbeitet ihr zusammen?  

Kisese:
Noch arbeiten wir nicht eng zusammen. Sobald wir mit den Labor-Tests je drei potenzielle Push- und Pull-Pflanzen identifiziert haben, werden wir gemeinsame Versuche im Gewächshaus durchführen. Dann erst werden wir sie auf dem offenen Feld ausprobieren. Dabei wird uns Winnie helfen. Sie kann uns sagen, welche Bäuerinnen und Bauern unsere Idee unterstützen und mit ihren Nachbarinnen teilen werden.
 

Nguru:
Uns ist wichtig, dass das Wissen verbreitet wird. Aber Informationen werden nicht einfach weitergegeben. Wir wählen also die Bäuerinnen und Bauern anhand ihres Wissensstands, des Vertrauens, das andere ihnen entgegenbringen, und der Grösse ihrer Anbaufläche aus. So identifizieren wir diejenigen, die am wahrscheinlichsten unsere Informationen weitergeben werden.

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