Kleine Helferinnen, grosse Wirkung

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Lothar J. Lechner Bazzanella (Text) und Amini Suwedi (Bilder)

Auf Sansibar will Biovision eines der wichtigsten Ökosysteme der Küstenregion Ostafrikas stärken: Mangrovenwälder. Dabei setzen wir nicht nur auf den Schutz und die Wiederaufforstung der hochsensiblen Gebiete. Sondern auch auf die Arbeit abertausender summender Unterstützerinnen.

Immer tiefer führen uns unsere Begleiter in den grünen Mangrovenwald, vorbei an Rinnsalen aus klarem, lauwarmem Wasser, das sich leise seinen Weg durchs Gestrüpp bahnt. Vorbei an roten Krabben, die sich schnell in schlammigen Löchern verkriechen, sobald sie unsere Schritte wahrnehmen, und an scharfen Korallen, immer weiter hinein in das Dickicht. Nach einer Weile deutet unser Begleiter Khatib Ali Vuai, der diesen Wald hegt und pflegt, nach oben in die Bäume. Dort erkennen wir etwas, was wohl die allerwenigsten hier in den Mangroven vermuten würden: Unzählige kleine Bienen fliegen emsig und summend zu den dutzenden weissen Kästen, die hier aufgestellt wurden und den Insekten einen perfekt geschützten Brutplatz bieten. Die Flut verwandelt die Mangrovenfelder in Kisaka Saka, einer Bucht an der Westküste Sansibars, nämlich alle paar Stunden in einen schier undurchdringlichen und ungestörten Teppich aus Meerwasser und dichtem Gestrüpp. 

«Es sind afrikanische Honigbienen. Diese Art verteidigt den kostbaren Honig sehr vehement. Deshalb dürfen wir nicht zu nahe an die Kästen ran», erklärt Khatib Ali Vuai, der vor über zehn Jahren damit begonnen hat, die Mangroven von Kisaka Saka wiederaufzuforsten. «Damals haben mich die allermeisten nur belächelt. Jahrelang habe ich versucht zu erklären, dass wir sorgsam mit den Mangroven umgehen müssen und sie nicht gedan- kenlos zum Feuermachen abholzen dürfen. Durch die Bienenkästen sollen die Menschen erkennen, dass man die Mangroven wertschätzen und anders nutzen kann – auf eine nachhaltige Art und Weise.»

Wächter der Vielfalt

Hunderte solcher Kästen mit Bienenvölkern wurden im Rahmen des Zanbee Projekts von Biovision und unserem Partner International Centre of Insect Physiology and Ecology, kurz Icipe, überall in den Mangroven auf Sansibar – hoch oben in den Baumkronen – aufgestellt. Diese Bienenvölker dienen nicht nur einem, sondern gleich mehreren Zielen, die ineinandergreifen und den Menschen vor Ort, aber auch Flora und Fauna der Insel helfen sollen.

«Die Bienen sind zum einen unglaublich wichtige Bestäuber. Sie fliegen von Blüte zu Blüte und sorgen für eine vielfältige Pflanzenwelt. Zum anderen sichern sie den am Programm beteiligten Familien durch den Honig eine zusätzliche Einnahmequelle», erklärt Dr. Kiatoko Nkoba, Icipe-Mitarbeiter und Experte für Bienenzucht. Doch nicht nur Honig, auch Bienenwachs, Blütenpollen oder Propolis können aus den Bienenkästen gewonnen und dann verkauft werden. Eigens für die Weiterverarbeitung dieser Produkte wurde erst kürzlich nicht weit von Kisaka Saka ein neues Gebäude eingeweiht. «Hier können wir unsere Erfahrung aus Kenia in ähnlichen Projekten einfliessen lassen», erzählt Dr. Nkoba weiter.

«Vor Ort werden Honig oder Bienenwachs verfeinert und weiterverarbeitet: von wohltuendem Lippenbalsam über Schuhwachs bis hin zu duftenden Kerzen. Die Produkte werden verpackt und schliesslich verkauft. Dutzende Bäuerinnen und Bauern erhalten Schulungen in der Weiterverarbeitung – und können sich einen wichtigen Nebenerwerb sichern.»

 

Ohne Bienen keine Ernte

Entscheidend sei es, den Menschen zu vermitteln, dass zu den Futtergebieten der Bienenvölker sowohl Wälder als auch Felder gehören: «Bienen bestäuben ja auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen. Wir versuchen den Bäuerinnen und Bauern deshalb klarzumachen, dass etwa Chemikalien oder Monokulturen eine Bedrohung für ihre Bienenvölker darstellen können», erklärt Dr. Nkoba. Dadurch würde die Bienenzucht auch dazu beitragen, dass immer mehr Felder nachhaltig und biologisch bestellt werden.

Die Bienen und ihr Honig kurbeln nicht nur die Wirtschaft der Region an. Mehr noch: Eng mit ihnen hängt ein stärkerer Schutz der lokalen Wälder zusammen. So haben Biovision und Icipe zum einen Bienenkästen verteilt und zum anderen überall auf Sansibar Baumschulen mit Hunderten Setzlingen gegründet. Brachliegende Flächen werden mit sogenannten «Multipurpose Trees» – gut für Feuerholz und Tierfutter geeignet – aufgeforstet. Noch intakte Wälder werden stärker geschützt.

Essenzielles Ökosystem

«Gehen die Wälder in dieser Region verloren, finden die Bienen und andere Tiere kein Futter mehr. Ein Teufelskreis entsteht, der in einem kaputten Ökosystem endet, das für die hier lebenden Menschen kaum noch Perspektiven bietet», erklärt der Programmverantwortliche Dr. Danny Nef von Biovision. Dieses wichtige Ökosystem beherberge nicht nur eine hohe Artenvielfalt und diene etwa als Kinderstube für Fische, Krabben und andere Tiere, sondern mache die Region auch deutlich resilienter gegenüber extremen Einflüssen des Klimawandels. So schützen Mangrovenwälder etwa vor Erosion, starken Winden oder Überflutungen. Hinzu kommt, dass sie riesige Mengen an CO2 speichern und dadurch den Treibhausgaseffekt und die Erderwärmung mildern.

Gezielt sensibilisiert Biovision mit diesem Projekt die lokale Bevölkerung dafür, wie stark die verschiedenen Tier- und Pflanzenarten voneinander abhängig sind. Und wie fragil das Gleichgewicht ist, in dem sie sich befinden.

«Weil wir die Bienen schützen wollen, schützen wir auch die Mangroven. Und weil wir die Mangroven schützen, schützen wir die gesamte Insel», erklärt Bienenzüchter und Mangrovenschützer Khatib Ali Vuai. Mittlerweile gehören zehn Personen zu seinem Team, das sich um die Wälder in Kisaka Saka kümmert. «Ich kann mich noch daran erinnern, wie kahl, heiss und trocken es hier noch vor einigen Jahren war. Heute hat man fast Mühe, es durch den dichten Mangrovenwald zu schaffen», freut er sich stolz.
Sein Ziel, das er mit Biovision teilt: aufzeigen, dass es nicht nur der Natur Sansibars nützt, Mangrovenwälder besser zu schützen, sondern auch den einzelnen Familien.
«Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Leute oft keine andere Wahl haben, als in den Wald zu gehen und Feuerholz zu schlagen. Deshalb müssen wir doppelt und dreifach so viel wiederaufforsten. Wir müssen deutlich machen, wie wichtig der Wald für uns alle ist. Und wir müssen neue Wege finden, um den Menschen ein Zusatzeinkommen zu gewährleisten.»

Die Bienenzucht sei, so Khatib Ali Vuai, erst der Anfang. Aktuell experimentieren er und seine Mitstreiter – tief im Dickicht des schlammigen Mangrovenwalds – mit der Zucht von Krabben. Auch kleine Fischteiche sind geplant. «In wenigen Jahren wollen wir erste geführte Touren für Touristinnen und Touristen durch unsere prächtigen Mangroven anbieten. Und beweisen, dass es deutlich sinnvoller ist, die Mangrovenwälder zu pflegen, als sie abzuholzen. Davon profitieren schliesslich alle: Tiere, Land und wir Menschen.»

Drei Fragen an Dr. Kiatoko Nkoba

Wie wichtig sind Bienen für die Flora und Fauna?

Bienen sind zentral für lokale Ökosysteme. Sie bestäuben beispielsweise Waldpflanzen und ermöglichen so die Regeneration der Wälder, die Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere sind – und auch für den Menschen eine grosse Bedeutung haben. Und in der Landwirtschaft sorgen Bienen für Obst und Gemüse.

Welche Wirkung hat das Projekt bisher erzielt?

Unser Projekt hat Bäuerinnen und Bauern geholfen, ihre Erträge und Produktqualität nachhaltig zu steigern. Wir zeigen, wie man Bienenprodukte weiterverarbeiten kann, und sensibilisieren für die Bedeutung von Bienen in der Landwirtschaft. Gleichzeitig werden dadurch die kostbaren Mangrovenwälder geschützt.

Welche Bedeutung haben die Mangrovenwälder für Sansibar?

Mangrovenwälder bieten nicht nur Schutz und Nahrung für Tiere, sie beeinflussen auch den Wasserzyklus und schützen gegen extreme Einflüsse des Klima- wandels. Sterben die Mangrovenwälder, stirbt eines der wichtigsten Ökosysteme Ostafrikas.

Weiter zum ganzen Interview.

Dr. Kyatoko Nkoba

Dr. Kiatoko Nkoba

Mitarbeiter des International Centre of Insect Physiology and Ecology, Icipe, Tansania

www.icipe.org

Dieses Projekt wird von der Deza unterstützt.

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