Ein Blick auf die heutige Situation zeigt: Das aktuell vorherrschende Nahrungssystem ernährt die Welt nur schlecht. Seit 2014 steigt die Zahl der Hungernden wieder an. 690 Millionen Menschen leiden offiziell unter Hunger. Jeder 10. Mensch ist von einer akuten Unterversorgung mit Lebensmitteln bedroht. Beide Zahlen zeigen steigende Tendenzen. Das ist schockierend, jedoch gehört ebenso ein Blick auf die Fehlernährung dazu, um das komplette Bild zu erhalten.
In armen Ländern fehlt es an ausgewogener Ernährung mit ausreichend Gemüse und Früchte oder tierischen Produkten. Meistens wegen mangelnder Verfügbarkeit, erschwertem Zugang oder weil es zu teuer ist. Wohlstandgesellschaften hingegen ernähren sich zu einseitig, obwohl sie Zugang zu ausgewogener Ernährung hätten. Die Folge auf der einen Seite sind wachsende Mangel- oder Unterernährung, während auf der anderen Seite das Übergewicht zunimmt. Beide Szenarien belasten die Gesundheit der Menschen und somit die Gesundheitssysteme. Dies geht aus dem aktuellen Bericht der Food and Agriculture Organization (FAO) hervor.
Die industrielle Landwirtschaft steckt in einer Sackgasse
Die Versorgung der Welt mit genügend gesunden Nahrungsmitteln durch die industrielle Landwirtschaft funktioniert also nur schlecht. Salopp könnte man sagen: Ihr Preis-Leistungs-Verhältnis ist miserabel. Denn die ungenügende Leistung steht einem sehr hohen Preis gegenüber.
- Die grossräumige Landwirtschaft zerstört kleinbäuerliche, regionale Strukturen und führt damit zu Landflucht und sozialen Problemen.
- Der teure Pestizideinsatz stellt ein grosses Gesundheitsrisiko insbesondere für Landarbeiterinnen und -arbeiter in ärmeren Ländern dar.
- Monokulturen, Rationalisierung, der hohe Einsatz von Stickstoff und synthetischen Pestiziden sowie die Verwendung von schweren Maschinen führten und führen zu ausgelaugten und verdichteten Böden sowie zu einem dramatischen Verlust an Biodiversität und Nahrungsvielfalt.
Die Quintessenz: Unsere Art und Weise wie wir Nahrungsmittel produzieren, vermarkten und konsumieren muss sich radikal ändern.
Mit der Agrarökologie können wir SDG 2 «kein Hunger» noch erreichen
Eine Landwirtschaft, die sich auf die Prinzipen der Agrarökologie stützt, kann genügend Nahrung für die Weltbevölkerung bereitstellen, auch wenn diese im Jahr 2050 9 Milliarden Menschen betragen wird. Die Agrarökologie bezieht das gesamte Ernährungssystem mit ein. Sie umfasst nicht nur eine umweltverträgliche Produktion, sondern auch die unmittelbare und nahe Vermarktung der Produkte zur Stärkung lokaler Gemeinschaften, als auch den verantwortungsvollen Konsum.
Biovision ist überzeugt, dass wir mit dem Konzept der Agrarökologie unser Ernährungssystem so gestalten können, dass wir das Nachhaltigkeitsziel 2 bis 2030 erreichen können. Und dies wird auch von diversen Studien belegt (für Europa z.B. die Studie von X. Poux von 2018 oder die Schweizer Studie von A. Müller, FiBL, für Schwellenländer Khan, Z. et al., 2011) Deshalb fördert Biovision diverse Projekte, die agrarökologische Methoden umsetzen oder erforschen:
- Die Erforschung und Anwendung agrarökologischer Methoden findet immer unter Einbezug der Bäuerinnen und Bauern statt, damit lokal angepasste Lösungen den grösstmöglichen Nutzen für die Menschen haben.
- Das von Biovision entwickelte «Agroecology Criteria Tool» ermöglicht politischen Entscheidungstragenden und Bäuerinnen und Bauern ihre landwirtschaftlichen Projekte oder Betriebe auf den Anteil Agrarökologie hin zu bewerten. Das Ziel ist ein erhöhtes Bewusstsein für nachhaltiges (Land)wirtschaften und das Anstossen unterstützender politischer Rahmenbedingungen.
- Mit Biovisions Unterstützung wird in Kenia noch dieses Jahr eine Plattform zum Thema Agrarökologie und Agrobiodiversität unter Leitung des Landwirtschaftsministeriums ins Leben gerufen. Die Plattform bringt Vertreter und Vertreterinnen aus Organisationen, dem Privatsektor und der Wissenschaft zusammen, um das dezentrale Wissen zu Agrarökologie zu sammeln und mit vereinter Stimme politische Einflussnahme ausüben zu können.
- Biovision sensibilisiert in der Schweiz für nachhaltigen Konsum, denn Kaufentscheidungen, die wir in der Schweiz treffen, gehen häufig zu Lasten anderer Länder. Zum Beispiel hat ein argentinisches Rinderfilet unter Umständen Lebensraum für Menschen und Tiere im dortigen Regenwald gekostet.
- Die Schweiz fördert die Agrarökologie häufig in Entwicklungsprojekten, wie diese Studie aufzeigt. Doch für die eigene Landwirtschaft sieht sie es selten vor. Biovision fordert deshalb mehr Kohärenz in der Schweizer Politik.
Angesichts des Ausmasses von Hunger und Fehlernährung sowie des Verlusts gesunder Böden, der Biodiversität und der Klimakrise gibt es keine Alternative zur Transformation zu einem sozial und ökologisch nachhaltigen Nahrungssystem wie sie die moderne, auf Wissen und Wissenschaft basierende Agrarökologie propagiert. Diesen schleichenden Katastrophen kann nur Einhalt geboten werden, wenn die Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft jetzt entschlossen und zügig handeln. Es geht um nicht weniger als um die Rettung unseres Planeten und um die Zukunft nachfolgender Generationen.