Die Euphorie war gross. Zwei Jahre hatten die Initiatoren der Gemüsegenossenschaft «Pura Verdura» Verhandlungen mit der Stadt Zürich geführt. Dann, Ende 2019, konnten sie einen Vertrag über ein Stück Land abschliessen. Anfang 2020 starteten sie gemeinsam mit der Bearbeitung eines rund 1 ha grossen Ackers am Rande der Stadt.
«Im Stadtgebiet Land zu finden, ist schwierig», sagt Rahel Fuchs, 34, die bei «Pura Verdura» zu 80 % als Gärtnerin angestellt ist. «Und gutes Land noch viel schwieriger!», ergänzt sie. Tatsächlich: Schon bald erlebte sie eine böse Überraschung und das mit viel Herzblut gestartete Projekt stand schon kurz nach dem Start vor dem Aus – davon später.
Viel Engagement gefordert
Rahel Fuchs ist ausgebildete Gemüsegärtnerin, Ethnologin und Sozialarbeiterin. In ihrer Freizeit spielt sie Akkordeon in einer Folk-Punk-Band. Mit ihrer früheren Ausbildung bringt sie ideale Voraussetzungen mit für die Arbeit in einem Projekt der Solidarischen Landwirtschaft (siehe Box), das auf die Mitarbeit der Genossenschafterinnen baut.
Sie erhält einen Lohn, der in Zürich kaum zum Leben reicht – und verdient doch überdurchschnittlich gut im Vergleich zu ihren Berufskolleginnen. Auch die Genossenschafter müssen ein hohes Mass an Idealismus mitbringen, wie die Gemüsegärtnerin betont: «Sie zahlen etwa gleich viel wie für Gemüse aus dem Bioladen, können sich aber die Zusammensetzung der wöchentlichen Lieferung nicht aussuchen und müssen auch noch acht Halbtage im Jahr dafür arbeiten.»
Solidarität auf dem Prüfstand
Sie selbst sieht es als Privileg, mit den Abnehmerinnen und Abnehmern des Gemüses auf dem Acker zu stehen. Sie müsse zwar manchmal auch «gnietige» Diskussionen führen – etwa mit Veganerinnen, wenn sie für den Einsatz von Düngemittel aus tierischer Herkunft argumentiert. Oder wenn sie die Meinung vertritt, dass in Ausnahmefällen der Einsatz von ökologischen Pflanzenschutzmitteln sinnvoll wäre. Doch Rahel Fuchs ist überzeugt: «Die Diskussionen lohnen sich. Und die Sensibilisierung, was es bedeutet, Nahrungsmittel zu produzieren, funktioniert: Die Leute kommen mit vielen Fragen und gehen oft beeindruckt wieder vom Acker.
Schon bald nach der Übernahme des Ackers musste Rahel Fuchs ihren Genossenschaftern jedoch etwas Unangenehmes beibringen. Es hatte sich herausgestellt, dass der Acker rund zur Hälfte mit Wurzelunkräutern durchsetzt war. Sie war nahe daran, aufzugeben. Doch die Genossenschafterinnen gaben ihr Rückhalt. Gemeinsam rappelten sie sich auf und suchten den Dialog mit der Pächterin. Mit Erfolg: Schon bald darauf erhielten sie den Zuschlag für ein neues Stück Land. Und die Euphorie war zurück.
Das Modell der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) basiert auf einer Abnahmegarantie zu fairen Preisen, dem Miteinbezug der Abnehmerinnen und Abnehmer sowie einer nachhaltigen Produktion. Mit dem hohen Mass an Engagement, dass sie von allen Beteiligten erfordert, bedient sie eine Nische. Doch es ist eine Nische mit Potenzial – insbesondere in den Städten.