Moshi Maile ist ein gefragter Mann im Dorf. «Dauernd klingelt mein Telefon», sagt er. Der Grund ist immer derselbe: Die Anrufer wollen wissen, wie er das gemacht hat, dass seine Sorghumhirse- und Straucherbsen Pflanzen so gut gedeihen. Die Handynummer des Kleinbauern steht auf einem Schild am Rand eines Testfelds an der Zufahrts-strasse zum Dorf Mlali im Distrikt Kongwa, Zentraltansania.
Dass das Testfeld so viel Interesse weckt, hat vor allem einen Grund: Die herkömmlich angebauten Pflanzen wachsen so schlecht, dass viele Bäuerinnen und Bauern kaum mehr etwas ernten können. Dieses Jahr fiel die Ernte besonders dürftig aus. Begonnen haben die grossen Schwierigkeiten jedoch bereits vor rund 10, 15 Jahren.
Kahle, nährstoffarme Böden
Schuld am Wandel ist einerseits die Abholzung. «Unsere Grossväter haben die Wälder nicht gerodet», erzählt Moshi Maile. Doch mit steigendem Bevölkerungsdruck gingen die Menschen immer weiter hangaufwärts, um noch etwas zum Verfeuern zu finden. Holz ist essenziell für ihr Leben: für Licht, Wärme und zum Kochen. Die Abholzung hatte aber zur Folge, dass die immer kahlere Erde die Wassermassen immer schlechter halten konnte. Bei starken Regen spült es die fruchtbare Humusschicht auf den Feldern einfach weg. Hinzu kommt, dass den Böden durch Mais-Monokulturen mit den Jahren immer mehr die Nährstoffe entzogen wurden. Das Fehlen von organischem Material im Boden begünstigt die Erosion zusätzlich.
Die Ernten brachen ein, Strategien, um Gegensteuer zu geben, fehlten. Die Menschen fühlten sich den Launen des Wetters hilflos ausgeliefert, wie Mosche Maile sagt. Und das Wetter ist sehr launisch in diesem semiariden Gebiet (siehe Seiten 6 und 7). Um den Unterhalt ihrer Familien bestreiten zu können, sahen sich in den letzten Jahren deshalb viele Bäuerinnen und Bauern in der Region gezwungen, ihre Felder aufzugeben und in der Hauptstadt oder an der Küste nach Hilfsarbeiten zu suchen.

Für Moshi Maile ist dies heute kein Thema mehr. In seinem Dorf betreibt er eine Farm, zusammen mit seiner Frau Pasisi Henry Mhokole und den zwei Kindern, die noch zu Hause leben. Sie bauen Mais, Sorghumhirse und Straucherbsen an, dazu halten sie rund 200 Hühner und 4 Schweine. «Moshi ist ein sehr progressiver Bauer», sagt Peter Ngowi, Projektkoordinator von ICRISAT, der lokalen Partnerorganisation von Biovision. «Er liebt die Landwirtschaft, hat ein grosses Wissen und ist bereit, alles Mögliche auszuprobieren.» Die Experimentierfreudigkeit zahlte sich für ihn aus. Das letzte Jahr war ein besonders trockenes Jahr: Der Regen kam einen Monat zu spät und die Dürre setzte auch früher wieder ein als üblich. Moshi Maile und seine Familie konnten trotzdem genug ernten – für sich selbst und sogar für den Verkauf auf dem Markt.
Schlauer Bauer
Und nicht nur sie profitierten: Denn Moshi Maile ist einer der sogenannten «Modellbauern» im Projekt, das heisst, er unterrichtet weitere interessierte Bäuerinnen und Bauern in den Methoden, die ihm trotz Dürre eine gute Ernte beschert haben. «Ich werde dafür bezahlt, in andere Dörfer zu fahren und dort Ausbildungen durchzuführen. In meinem Dorf gebe ich mein Wissen kostenlos weiter», erzählt er.

Was also ist die Zaubermethode, die Wasserfluten bändigt, Böden wiederbelebt und auf dürregeplagten Feldern Mais, Sorghumhirse und Strauchbohnen erblühen lässt? Die vielleicht nicht ganz überraschende Antwort: Es ist kein Zauber. Der Schlüssel zur Lösung ist eine ganzheitliche Herangehensweise – und Partizipation. Dr. Birhanu Zemadim, Projektleiter bei ICRISAT, erklärt: «Das Projekt baut auf dem Ansatz des natürlichen Ressourcenmanagements auf. Das heisst, dass wir die vorhandenen Ressourcen nutzen, sie pflegen und wiederherstellen. Dazu wenden wir agrarökologische Praktiken an.» Ein weiteres wichtiges Element sind trockenheitsresistente Varianten der traditionell angebauten Gemüse- und Getreidesorten, die von Forschungsinstituten in Tansania und umliegenden Ländern entwickelt wurden.

Zum Start des Projekts wollten die Verantwortlichen aber erst einmal wissen, welches die drängendsten Probleme der Menschen in Kongwa sind und welche Lösungsansätze sie selbst sehen. Es wurde ein sogenanntes Innovationsplattform-Treffen abgehalten, ein Austausch, zu welchem Bäuerinnen und Bauern sowie Behördenvertreter:innen eingeladen wurden. Neben der Erosion, den Sturzfluten und dem unregelmässig und zu knapp fallenden Regen erwähnten insbesondere Frauen dazu das Problem, Feuerholz zu finden.
Multifunktionale Bäume
Ein Element im Lösungsmix sind deshalb Gliricidia sepium und Leucaena leucocephala, beides schnell wachsende Baumsorten. Oberhalb der Gräben gepflanzt, halten ihre Wurzeln die Erde zusammen. In der Ebene als sogenannte Schutzgürtel angelegt, halten sie den Wind ab, der ebenfalls stark zur Erosion beiträgt. Winny Michael Sekwiha ist Bäuerin in Nghombi, einem Dorf in der Ebene, wo die Felder sehr kahl sind. Sie pflanzte im Rahmen des Projekts Schutzgürtel und wandte weitere Massnahmen an wie die Herstellung und Ausbringung von natürlichem Dünger. Sie sei überwältigt gewesen, was sie habe ernten können, berichtet sie. Natürlich erzählte auch sie es weiter – ihre Nachbarin flussabwärts habe schon gesagt, dass sie unbedingt auch teilnehmen möchte im Projekt.

Ein weiterer Nutzen der beiden Leguminose Baumarten sind deren Blätter, die dem Boden wertvolle Nährstoffe zufügen. Auch Pasisi Mhokoles Hühner schätzen sie als Futtermittelbeigabe. Und nicht zuletzt eignet sich ihr Holz zum Verfeuern: Winny Michael Sekwiha sagt, die Zeiten seien vorbei, als sie weite Wege gehen musste, um Feuerholz zu finden. Das zentrale Element des Massnahmenpakets sind aber die Grabensysteme, eine Innovation, die in Zusammenarbeit mit dem nationalen Agronomie-Forschungsinstitut TARI – das ebenfalls als Projektpartner eingebunden ist – entwickelt wurde: Von oben nach unten werden Gräben quer zum Hang angelegt. Sie verhindern einerseits, dass die Regenmassen die fruchtbare Erde abtragen. Andererseits lassen sie das Wasser in die Erde einsickern, das sich dort konserviert und so für die Pflanzen verfügbar wird.

So einleuchtend das Konzept ist, so braucht es doch viel Überzeugungsarbeit seitens des Projektteams und viel Geduld seitens der Teilnehmenden. Denn, so betont Peter Ngowi: Nicht alle Bauern seien so innovationsfreudig und begeisterungsfähig wie Moshi Maile. Und: «Verbesserungen geschehen nicht von heute auf morgen. Es ist ein langsamer Prozess.» Dies betont der lokale Projektleiter immer wieder. Und noch etwas: Der Ansatz funktioniere nur, wenn die Menschen zusammenarbeiten. Es nütze wenig, wenn ein einzelner Bauer Gräben anlegt – es brauche ein System, das farmübergreifend angelegt wird und damit die Niederschläge in grösserem Massstab kanalisieren kann. Das Anlegen der Gräben im trockenen, harten Boden ist jedoch schwere Arbeit und lässt sich nur umsetzen, wenn sich die Bäuerinnen und Bauern gegenseitig unterstützen (siehe dazu auch das Interview rechts).
«Im Kleinen ist erwiesen, dass das Projekt funktioniert», resümiert Birhanu Zemadim. «Nun geht es darum, es hochzuskalieren.» Dazu brauche es Bauern, die vorangehen – wie Moshi Maile. Mit seinem Optimismus und seiner Begeisterungsfähigkeit hat er schon Dutzende weitere Bäuerinnen und Bauern überzeugt. Doch werden es eines Tages tatsächlich so viele sein, dass in der Region eine nachhaltige Veränderung stattfinden wird? Nach seiner Einschätzung gefragt, antwortet der Bauer mit einem breiten Lächeln. Und den Worten: «Ja! Ich bin sehr, sehr zuversichtlich.»