Das Projekt «Murhof» im Kurzporträt
Täglich werden im Murhof 58 Bewohnende, das Personal und ein benachbartes Heim für Menschen mit Beeinträchtigungen mit köstlichen Mahlzeiten versorgt. Der überwiegende Teil der Zutaten – bis zu 90% – stammt aus Bio-Produktion, wobei etwa 70% Frischprodukte aus der Region sind. Der Murhof trägt stolz zwei Sterne des Schweizer Gastronomie-Labels «Bio Cuisine», das den hohen Anteil an Bio-Produkten in der Küche anerkennt.
Der Anstoss zur Umstellung kam vom Heimleiter Hansueli Eggimann. Die Einrichtung will nicht nur ihren Beitrag zu einer umweltfreundlicheren Welt leisten, sondern lokale Produzierende unterstützen und den Bewohnenden eine besondere Freude bereiten. Denn das gemeinsame Essen ist ein zentrales Element des Alltags im Altersheim. Dabei endet der Bio-Gedanke nicht in der Küche: Der Murhof verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der Selbstbestimmung, Verantwortungsübernahme und Mitgestaltung des gemeinschaftlichen Lebens fördert.
Biovision bietet mit der Rubrik «Beispiele für ein nachhaltiges Ernährungssystem» jenen Initiativen und Projekten in der Schweiz eine Bühne, welche ohne unsere Begleitung oder finanzielle Unterstützung ein nachhaltiges Ernährungssystem mitgestalten. Damit zeigen wir, dass zukunftsfähige Lösungen existieren und ein Wandel möglich ist.
Murhof im Internet
Regionalität in der Küche
Anstatt auf einen einzigen grossen Lieferanten zu setzen, arbeitet der Murhof mit einem Netzwerk aus regionalen Produzierenden zusammen. Durch die enge Zusammenarbeit mit drei Demeter-Bauernfamilien und weiteren lokalen Biobetrieben sowie einem Metzger ist der Murhof in der Region verankert (Prinzip 11 in der unteren Grafik) – mit mehreren Vorteilen: Er spart durch den direkten Einkauf bei den Bauernfamilien Kosten, weil Zwischenhändler entfallen. Die Bauernfamilien ihrerseits profitieren von einem besseren Preis als beim Handel und einem zuverlässigen Abnehmer. Letztlich können sich die Bewohnenden des Altersheims über frische, qualitativ hochwertige Lebensmittel freuen, die gleichzeitig der Umwelt zugutekommen (Prinzip 1-6).
Natürlich bringt die Bio-Umstellung einer Grossküche auch Herausforderungen mit sich. So sind die Bewohnenden nicht immer bereit, Veränderungen mitzumachen und ihre Vorurteile gegenüber Bio abzulegen. Die Verbindung zur Region und das Wissen um die Herkunft der Produkte schafft jedoch Vertrauen. Auch der Küchenchef musste alte Gewohnheiten überdenken und neue Lösungen finden: Beispielsweise lässt er sich nun auf das schwankende Angebot der lokalen Produzierenden ein, statt sich auf das konstant breite Angebot des Grosshandels zu verlassen.
Gemeinschaft als Chance
Normalerweise kaufen Grossküchen bei spezialisierten Grosshändler zwischenverarbeiteten, konventionelle Produkte ein. Durch den Einkauf von regionalen, frischen und biologischen Lebensmitteln fällt in der Küche des Murhofs mehr Arbeit an, wie zum Beispiel für das Reinigen und Rüsten von Gemüse. Im Altersheim wird dieser Mehraufwand zur Chance: Die Bewohner:innen werden als Teil des Aktivierungsprogamms in die Küchenarbeit eingebunden. Einmal in der Woche kochen die Bewohnende mit der Therapeutin ein Rezept aus ihrer Kindheit für zehn Personen in der Haushaltsküche. Dies stärkt die soziale Teilhabe und rückt die gemeinsame Esskultur in den Vordergrund (Prinzip 9).
Das Altersheim punktet nicht nur mit seiner ökologischen Ausrichtung und seinem Aktivierungsprogramm, sondern auch in Sache Chancengleichheit (Prinzip 10). So erhalten Jugendliche, die Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben, im Heim eine Lehrstelle in der Küche oder in der Hauswartung.
So funktioniert die Bewertung mit B-ACT
Das B-ACT spiegelt die Ausrichtung von Unternehmen, Projekten und Initiativen an den 13 agrarökologischen Prinzipien des «High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition» (HLPE) wider (siehe «Agrarökologie kurz erklärt»).
Dabei ist jedes Prinzip in eines der drei übergeordneten Themen eingeordnet:
- Erhöhung der Ressourceneffizienz
- Stärkung der Resilienz
- Sicherung der sozialen Gerechtigkeit
Zu allen Prinzipien wurden von Biovision in Zusammenarbeit mit Partner:innen Fragen erarbeitet, die in das B-ACT eingebaut wurden. Je mehr Fragen für eine Initiative oder ein Geschäftsmodell positiv beantwortet werden können, desto höher ist der Beitrag zu dem entsprechenden Prinzip.
Damit punktet das Projekt
- Ein häufiges Argument gegen die Umstellung auf Bio in Grossküchen sind die vermeintlich untragbaren Mehrkosten. Der Murhof widerlegt dieses Vorurteil: Durch die engagierte Mitarbeit aller Beteiligten und den Wegfall des Zwischenhandels wird der finanzielle Mehraufwand tragbar. Mit viel Mut und Kreativität zeigt der Murhof zudem, wie man aus potenziellen Hindernissen wertvolle Chancen zur Verbesserung der Lebensqualität und des Gemeinschaftsgefühls schafft, beispielsweise durch den Einbezug der Bewohnenden in den Küchenbetrieb.
- Als Pionierprojekt setzt sich der Murhof für einen Erfahrungsaustausch mit anderen Heimleitenden aus, damit andere Institutionen seinem Weg folgen können.
- Mit dem Motto «Bio von hier» unterstützt der Murhof nicht nur Nachhaltigkeit im Alter, sondern auch lokale Produzierende. Durch die Zusammenarbeit mit regionalen biologischen und biodynamischen Betrieben wird die lokale Wertschöpfung gestärkt und eine enge Verbindung zur Region geschaffen.
Diese Herausforderungen bestehen für das Projekt
Die Bio-Umstellung der Grossküche erforderte die Beteiligung aller: vom Küchenchef, dem restlichen Personal bis hin zu den Bewohnenden. Dass das so gut gelungen ist, ist nicht selbstverständlich. Ein entscheidender Faktor war, dass der Küchenchef voll und ganz hinter der Umstellung stand. Nun muss er beispielsweise kreativ werden, wenn anstelle von Kartoffeln plötzlich Karotten geliefert werden, weil die regionalen, eher kleinen Produzierenden keine absolute Liefersicherheit bieten. Die überschaubare Grösse der Küche im Altersheim ermöglicht zwar diese Flexibilität, dennoch ist ein gewisser Mehraufwand unabwendbar. Spätestens als der erste regionale Produzent seine frischen Lebensmittel lieferte und ein persönlicher Austausch stattfand, wich die Skepsis vor der Umstellung der Begeisterung.
Trotz der aktiven Beteiligung aller und der engen Zusammenarbeit mit den Produzierenden bleibt Bio etwas teurer und schwieriger zu beschaffen als konventionelle und insbesondere zwischenverarbeitete Produkte. Der Murhof übernimmt diese Mehrkosten selbst und belastet die Bewohnenden nicht zusätzlich. Der Heimleiter Hansueli Eggimann sieht das gelassen: Für ihn ist es wichtiger, ein Vorzeigebeispiel für nachhaltiges Altern zu sein. Und das positive Marketing hat ebenfalls seinen Mehrwert.