Gesunde Tomaten dank Schlupfwespen und Pilzsporen

Von

Stefan Diener, ehemaliger Programmverantwortlicher Entwicklungsprojekte

Eine invasive Mottenart aus Südamerika bedroht die Existenz von Tomatenbäuerinnen und -bauern in Kenia. Bekämpft wird sie mit so viel Gift, dass Menschen davon krank werden. Die gute Nachricht: Es gibt ökologische Alternativen.
Femme vende des tomates
Giftig oder nicht? In Kenia werden Tomaten meist mit hohem Pestizideinsatz produziert.

Jacqueline Njogu, Landwirtschaftsministerin des Bezirks Kirinyaga in Kenia, ist besorgt. Neben den üblichen Schadinsekten Weisse Fliege, Spinnmilbe und Thripse kämpfen die lokalen Tomatenbäuerinnen und -bauern in ihrem Bezirk seit Kurzem mit einem neuen, verheerenden Schädling: der Tomatenminiermotte Tuta absoluta. Die aus Südamerika eingeschleppte Art führt in Kenia zu einem jährlichen Verlust von über 100 000 Tonnen Tomaten – das ist eineinhalb Mal so viel, wie in der Schweiz pro Jahr an Tomaten konsumiert wird. Die Produzenten greifen aus Verzweiflung und mangels Wissen um Alternativen zu immer stärkeren Spritzmitteln und vergiften so nicht nur Boden und Nützlinge, sondern in erster Linie auch sich selbst: Studien stellten unter anderem Verbindungen her zwischen Pestizidgebrauch und Erblindungen, Leberschäden, Krebs, Unfruchtbarkeit und hoher Kindersterblichkeit.

Gravierende Wissenslücken

Jacqueline Njogu hat deshalb eine Studie unter den Bäuerinnen und Bauern ihres Bezirkes durchführen lassen. Die Resultate sind schockierend: Nur gerade ein Drittel von ihnen weiss, dass es neben dem Spritzen von Pestiziden auch andere, umweltverträglichere Massnahmen gibt, um die Tomaten vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Und nur gerade ein Viertel hält sich an die Sicherheitsvorgaben zum Umgang mit Pestiziden und Kunstdünger. Das internationale Insektenforschungsinstitut icipe mit Sitz in Nairobi, Kenia, arbeitet seit Anfang 2019 im Rahmen eines Biovision-Projekts an Lösungen zur Bekämpfung der Tomatenminiermotte. Mit Erfolg: Dr. Samira Mohammed und ihr Team haben eine kleine Schlupfwespenart identifiziert, die ihre Eier in die jungen Larven von Tuta absolutalegt und somit die Schädlingspopulation auf natürliche Art und Weise stark reduzieren kann. Weiter haben sie an einem Biopestizid geforscht, das auf einem entomopathogenen Pilz basiert. Das heisst: Die Sporen dieses Pilzes befallen die Tomatenminiermotte und machen sie unschädlich. Zusammen mit Real IPM, einem kenianischen Hersteller von biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln, konnten die Forscherinnen und Forscher ein Produkt entwickeln, das nun im Feld getestet wird.

Vom Labor aufs Feld

Die Entwicklung der Lösungen im Labor und auf dem Feld ist aber nur der erste Schritt. Um dem übermässigen Giftgebrauch ein Ende zu setzen und dem integrierten Pflanzenschutz zum Durchbruch zu verhelfen, müssen die Bäuerinnen und Bauern zu allen verschiedenen Aspekten der Methode geschult werden: Wie erkenne ich die Präsenz der verschiedenen Schädlinge und zu welchem Zeitpunkt muss ich welche Gegenmassnahmen ergreifen? Welches sind die Auswirkungen des Einsatzes von synthetischen Pestiziden auf die Menschen, die auf den Feldern arbeiten? Welches sind die Auswirkungen auf das Produkt selber, die Tomaten?

Dr. Samira Mohammed und ihr Team sind entschlossen, die Landwirtschaftsministerin und vor allem die Bäuerinnen und Bauern davon zu überzeugen, was ihre Forschungsergebnisse zeigen: dass die Produktion von gesunden Tomaten möglich ist, zum Vorteil aller – der Produzierenden, der Konsumierenden und der Umwelt.

Die Tomatenminiermotte Tuta absoluta wurde aus Lateinamerika eingeschleppt und kann die Tomatenernte vollständig zerstören. 

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