Ob bei der Gesundheit, der Ausbildung, der Mitsprache oder auf dem Arbeitsmarkt – noch immer werden Mädchen und Frauen weltweit diskriminiert. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist dabei sowohl eine Ursache als auch eine Folge von nicht nachhaltigen Ernährungssystemen, von einem ungleichen Zugang zu Nahrung und Ressourcen. Die Ungleichbehandlung zu bekämpfen und Frauen zu stärken, ist deshalb eine Bedingung für die Transformation der Ernährungssysteme, die Gleichstellung muss eines ihrer Ziele sein. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und die Missachtung von Frauenrechten ist weltweit eine der Hauptursachen für Armut und Ernährungsunsicherheit. Die Ernährungsunsicherheit war gemäss den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2019 im Schnitt bei Frauen grösser als bei Männern – auf allen Kontinenten der Erde.
Frauen sorgen fürs Essen – und leiden an Hunger
Als eine direkte Folge patriarchaler Systeme kommen Frauen und Mädchen oft zuletzt dran, wenn das Essen knapp ist. Dabei wird ihnen gemäss der traditionellen Aufgabenteilung im Haushalt oft die Verantwortung für den Anbau, den Kauf sowie die Zubereitung von Nahrungsmitteln überlassen. Diese Arbeitsteilung führt zu einer starken Belastung der Frauen, was sich wiederum auf ihre Gesundheit und ihre Beteiligung an wirtschaftlichen Aktivitäten auswirkt. Traditionelle Rollenbilder halten Männer davon ab, sich an unbezahlten Haushaltsaufgaben zu beteiligen – dabei ist erweisen, dass eine Aufweichung dieser Normen zu einer besseren Ernährung der ganzen Familie führt.
Die Geschlechterungleichheit begrenzt die Produktivität und Effizienz von Landwirtschaftsbetrieben und hemmt damit die Entwicklung. Frauen geben in der Regel einen grösseren Teil ihres Einkommens für die Ernährung der Kinder, für die Gesundheit und die Ausbildung aus als Männer. Die Verringerung der Kluft hingegen führt erwiesenermassen zu einer Steigerung des Bruttoinlandprodukts, grösseren Ernten und einer Reduktion der Armut.
Vielfältige Rollen, wenig Entscheidungskompetenzen
In der Wissenschaft herrscht heute Konsens, dass die Ernährungssysteme transformiert werden müssen. Sie sind nicht nachhaltig und scheitern darin, die Menschheit zu ernähren: Die jüngste Schätzung für das Jahr 2019 geht davon aus, dass vor der Covid- 19-Pandemie knapp 690 Millionen Menschen oder 8,9 Prozent der Weltbevölkerung chronisch unterernährt waren, durch die Pandemie kommen zwischen 83 und 132 Millionen Menschen dazu.
Frauen sind Schlüsselakteurinnen in Ernährungssystemen, entlang des gesamten Kreislaufs: als Arbeiterinnen in der Verarbeitung, als Händlerinnen auf den Märkten, in der Verteilung im Haushalt. Sie nehmen aber auch wichtige Funktionen ein als Produzentinnen, Unternehmerinnen, Führungskräfte und Konsumentinnen. Ihre Rolle wird jedoch generell unterbewertet und durch den eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie Weideland, Wasser, Saatgut und Dünger,
aber auch Finanzen und Dienstleistungen beschnitten.
Normen ändern, gemeinsam mit den Männern
Wenn wir Frauen wirksam stärken wollen, müssen wir sie in ihrer Rolle als Entscheidungsträgerinnen stützen und ihnen mehr Ressourcen in die Hand geben. Diskriminierende Geschlechternormen müssen, unter Einbezug der Männer und Jungen, auf allen Ebenen des Ernährungssystems angegangen werden. Dabei gilt es, die Problematik der Intersektionalität zu beachten, sprich dass Frauen mehrfach diskriminiert sein können, etwa aufgrund ihres Geschlechts sowie ihrer Identität als Indigene.
Für geschlechtergerechte Ernährungssysteme braucht es eine Kombination aus Wissensverbreitung, geeigneten politischen Rahmenbedingungen sowie Investitionen in die Stärkung der Frauen von der Produktion bis zum Konsum. Und es fordert ein Umdenken. So sollten wir nicht fragen, welchen Beitrag Frauen in der Landwirtschaft leisten, sondern: Wie müssen sich Ernährungssysteme verändern, damit sie zur Ermächtigung von Frauen beitragen?