Nur kurz hob das Mädchen den Blick zum Gruss. Zu schwer war die Last auf ihrem Kopf, zu weit der Weg. Ich traf sie am 9. Mai 2012 bei Alubo, nahe der Grenze zum Sudan im Westen Äthiopiens. Dort unterstützten wir in Assosa BioEconomy Africa (BEA) beim Aufbau und Betrieb eines Ausbildungszentrums für ökologischen Landbau, die biologische Bekämpfung von Tsetsefliegen (Überträgerinnen der tödlichen Schlafkrankheit beim Vieh) sowie Gesundheitslehre und Familienplanung.
BEA achtet auf einen hohen Frauenanteil in den Kursen. Denn wie in ganz Ostafrika steht und fällt die Existenz der Kleinbauernfamilien auch in Äthiopien mit den Frauen. Die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern weist den Frauen mehrheitlich die Verantwortung für den Pflanzenbau zu. Die Männer sind zuständig für das Roden, das Vorbereiten und das Pflügen des Landes. In der Tierhaltung kümmern sich die Frauen um die Schafe, Ziegen und Hühner. Die Grossviehhaltung ist mehrheitlich Sache der Männer.
Für Bäuerinnen kommen viele Aufgaben hinzu: die Ernährung der Familie, der Haushalt, die Beschaffung von Brennholz und Wasser, die Gesundheitsfürsorge, die Krankenpflege, die Betreuung von Kindern und Alten sowie alle Tätigkeiten rund um den Markt. Die Frauen Ostafrikas tragen eine schwere Last. Darum ist das Thema Gender neben Partizipation sowie Wertschöpfungsketten und Einkommensförderung in der Biovision-Strategie 2016–2020 ausdrücklich als Querschnittthema definiert.
Seit bald 20 Jahren reist Peter Lüthi als Biovision-Projektreporter regelmässig nach Ostafrika. Im Biovision-Wandkalender 2020 präsentierte er zwölf seiner eindrücklichsten Bilder plus die Geschichten dahinter. Dies ist eine davon.