Kleine Regenzeit im nördlichen Kenia: Auf der Piste von Isiolo nach Merti geht gar nichts mehr. Seit einer halben Stunde stecken wir mit unserem Geländefahrzeug fest. Ein Wolkenbruch hat den Weg in einen Bach verwandelt. Für die Viehhirten am Horn von Afrika aber ist das Wasser ein Segen. Nach mehreren trockenen Jahren war bereits die grosse Regenzeit von März bis Mai 2018 ergiebig. Und jetzt – im Dezember – scheint es auch mit der kleinen Regenzeit zu stimmen. Die Weidegründe sind so grün wie lange nicht mehr.
Drohende Gefahr
Doch der Regen birgt auch Gefahren: Die feuchte Witterung begünstigt bestimmte Krankheiten. So kam es im April letzten Jahres in unserem Projektgebiet in Nordkenia zu einem Ausbruch des Rifttalfiebers. Viele Nutztiere starben. Glücklicherweise gab es im Vergleich zur grossen Epidemie von 2006/7 diesmal nur wenig Krankheitsfälle bei Menschen. Biovision unterstützt im Isiolo County zwei Projekte im Bereich der Tier- und Menschengesundheit. Jetzt bin ich hier, um herauszufinden, ob und wie unsere Zusammenarbeit mit den Pastoralisten zum glimpflichen Ausgang des Ausbruchs beigetragen hat.
Pastoralisten sind auf sich gestellt
Die fünfstündige Reise ins abgelegene Projektgebiet führt über 200 Kilometer Waschbrettpiste nach Merti. In den abgelegenen Dörfern um Merti gibt es keinen Tierarzt. Für die Gesundheit der Tiere sind die Viehhalter weitgehend auf sich gestellt. Darum unterstützt Biovision in den Projekten «Kamele für Dürregebiete» und «One Health» die Schulung der lokalen Bevölkerung zur Erkennung der wichtigsten Tierkrankheiten. Im Fokus stehen Seuchen, die auch auf den Menschen übertragen werden können wie das Rifttalfieber oder die Brucellose. Solche Krankheitsübertragungen nennt man auch Zoonosen. Zur Vorbeugung lernen die Pastoralisten, kranke und gebärende Tiere nur mit Handschuhen anzufassen, Milch vor dem Trinken immer abzukochen und sich vor Stichen der Überträgermücken zu schützen.
Digitale Nomaden
Im Projekt «Kamele für Dürregebiete» wurde zudem ein Netzwerk von Tierkrankheits- Reportern aufgebaut. Dank guter Mobilfunkverbindung und einer eigens programmierten Smartphone-App können sie Tierkrankheiten sofort den staatlichen Veterinären melden. Den ersten Ernstfall hat die App bereits bestanden: Ein von unserem Projektpartner VSF-Suisse* ausgebildeter Tierkrankheits- Reporter leitete seinen Verdacht auf Rifttalfieber erfolgreich an die Behörde weiter. Dank verbesserter Kommunikation kann dieses Frühwarnsystem dazu beitragen, Leben zu retten und Kosten zu sparen. Das kommt sowohl Tieren wie auch Menschen zugute.
«One Health» – eine Gesundheit
Der Besuch des Modellprojekts in Merti hat mir deutlich vor Augen geführt, wie eng das Leben der Pastoralisten und das ihrer Tiere miteinander verknüpft sind. Um die Gesundheit der Menschen zu verbessern, muss auch die Gesundheit der Tiere und der Umwelt gefördert werden. Diesen holistischen Ansatz bezeichnet man als «One Health» (engl.: eine Gesundheit). Biovision wendet dieses ganzheitliche Prinzip in verschiedenen Projekten an.
* VSF: Vétérinaires Sans Frontières Suisse