«Am Hibiskustee sollen alle verdienen»

Von

Margarete Sotier, Redaktorin Biovision

Das Zürcher Startup Five Good Goods vertreibt nur Produkte, an denen die Produzent:innen wirklich mitverdienen – und steht für faire Arbeitsbedingungen und Preise. Auch der Hibiskustee der Biovision-Partnerorganisation Sustainable Agriculture Tanzania (SAT) hat es in den Onlineshop des Startups geschafft. Was den Tee so wertvoll macht, erzählt uns Inhaber Johannes Küng im Interview.
Hibiscus-Production
Die Wertschöpfung des Tees, den Five Good Goods vertreibt, bleibt bei den Produzent:innen im Herkunfstland. Sie profitieren, vom Anbau bis zum fertigen Produkt, von jedem einzelnen Verkauf. So auch die Bäuerinnen und Bauern unserer Partnerorganisation SAT. (Bild: SAT)

Johannes, ihr bietet den Hibiskustee von Sustainable Agriculture Tanzania (SAT) in eurem Onlineshop an. Wie kam es dazu? 

Johannes Küng (JK): Ich war bei meinen Eltern zu Besuch und meine Mutter servierte den Hibiskustee, den sie als kleines Geschenk für ihre Spende an Biovision erhalten hatte. Da Biovision auch mir ein Begriff war, habe ich mich gefragt, wie dieser Tee in die Schweiz gekommen ist und ob es nicht die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit SAT geben könnte. Biovision hat mir den Kontakt zum Co-Geschäftsführer von SATAlex Wostry, gegeben und seine positive Antwort kam kurz darauf. SAT unterstützt Kleinbäuerinnen und -bauern dabei, ihre Produkte nachhaltig anzubauen und zu diversifizieren. Das heisst, dass sie verschiedene Pflanzen anbauen, wodurch sie die Agro-Biodiversität fördern, die Bodengesundheit erhalten und ihr eigenes Einkommen sichern. Totale Ernteausfälle gibt es quasi nicht mehr. Auch der Hibiskustee entspringt dieser Anbaumethode und wurde zudem in Tansania getrocknet und abgepackt. Damit bleibt die Wertschöpfung zum grössten Teil bei den Bäuerinnen und Bauern vor Ort. Wir setzen zurzeit noch nicht auf Zertifikate, sondern auf vertrauenswürdige Partner, die ökologisch und nachhaltig anbauen. So war SAT genau der richtige Partner. Obwohl wir Alex und die Co-Geschäftsführerin Janet Maro noch nie persönlich getroffen haben, war uns klar, dass dies ein gutes Projekt sein muss – sonst würde es nicht von Biovision unterstützt.

Johannes Küng

homme buvant café devant vitrine

Together with his wife Amaru and his cousin Alain, Johannes Küng has built up the online shop Five Good Goods. Johannes organises the imports and is responsible for the strategy of Five Good Goods.

Worum geht es euch bei Five Good Goods

JK: Die Idee von Five Good Goods ist es, fünf Güter anzubieten: Tee, Kaffee, Schokolade, Zucker und Früchte. Alles klassische Kolonialwaren und sogenannte «Cash Crops»: die Rohprodukte wurden ausschliesslich für den Export nach Europa produziert und erst dort veredelt. Sie machten die Kolonialmächte sehr reich. Unsere Vision ist es, dieses Narrativ umzudrehen: Es sollen diejenigen profitieren, die diese Produkte anbauen. Deshalb ist der Schlüssel für uns, die Wertschöpfung vor Ort zu belassen. Wir importieren fertig verarbeitete Produkte, die man in der Schweiz nicht anbauen kann. Ein Beispiel: Die meisten Händler importieren ungerösteten Rohkaffee in die Schweiz. Normalerweise wird dieser hier geröstet, dadurch erfährt er die grösste Wertschöpfung. Das heisst: Aus einem Kilogramm Rohbohnen, die 6 bis7 Franken kosten, werden Kaffeebohnen, die 30 bis 40 Franken pro Kilogramm kosten.

Seid ihr erfolgreich mit dieser Idee?

JK: Wir sind kein Startup im klassischen Sinne. Uns geht es nicht darum, möglichst viel Gewinn zu machen, sondern die Produkte und die Wertschätzung dafür zu fördern. Nach eineinhalb Jahren können wir mit Stolz sagen, dass wir bei unserem Tee und Kaffee im Vergleich zu handelsüblichen Produkten mehr als 30% der Wertschöpfung im Herkunftsland belassen. Wir wollen damit auch einen Wandel schaffen: weg von der industriellen hin zu nachhaltiger Landwirtschaft mit spezialisierten Arbeitsplätzen und guten Löhnen. Unser Ziel ist es, dass alle an der Produktion beteiligten Personen – vom Anbau bis zum Verkauf – profitieren und sich ein gutes Leben mit dieser Arbeit aufbauen können.

Woher kommt das Interesse, sich für nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltige Produkte stark zu machen? 

JK: Mich motiviert der Wunsch, in einer intakten Umwelt zu leben. Es ist erwiesen, dass Kaffee besser wächst, wenn er nicht in Monokulturen, sondern in Mischkulturen angebaut wird. Unsere Produkte sind ökologisch, auch wenn sie kein Bio-Label haben. Und obwohl wir nur ein kleiner Onlineshop sind, nehmen wir Einfluss, indem wir nur Produkte einkaufen, die ohne Pestizide produziert worden sind. Ausserdem unterstützen wir Betriebe, die auf Biodiversität setzen. Unter unseren Partnern gibt es keine Bäuerin, die nur Kaffee anbaut. Sie bauen Kaffee als eine Pflanze neben vielen an, sodass sie auch nicht nur von einem Produkt abhängig sind.

Was versteht ihr genau unter nachhaltig und sozial?

JK: Für uns bedeutet dies zweierlei: Wir möchten einerseits gute ökologische Produkte anbieten und andererseits allen, die an der Produktion beteiligt sind, ein gutes Leben ermöglichen. Das erreichen wir, indem wir uns mit den Produzent:innen an einen Tisch setzen und gemeinsam ermitteln, was sie für eine faire Produktion benötigen. Zum Beispiel kauft unsere Kaffee-Produzentin von verschiedenen Bäuerinnen und Bauern die Rohbohnen ein. Sie lässt diese dann aufbereiten und rösten. Ihr Ziel ist es jedoch, eine eigene Aufbereitungsstation aufzubauen, sodass sie den Bäuerinnen mehr bezahlen kann. Das ist genau, was wir fördern wollen. Aktuell machen wir mit Five Good Goods noch keinen Gewinn. Wenn sich das ändert, würden wir die Produzentin gerne finanziell darin unterstützen, eine eigene Station aufzubauen. Genauso macht es übrigens auch das Sozialunternehmen SAT Holistic Group. Sie beziehen ebenfalls die Produzentinnen und Produzenten mit ein und beteiligen sie an der Firma.

Wie kann man eurer Meinung nach bewirken, dass sich die Konsument:innen wieder stärker dafür interessieren, woher ihre Lebensmittel kommen?

JK: Ich denke, Beteiligung ist der Schlüssel. Bei einem Projekt der solidarischen Landwirtschaft hatte ich ein Aha-Erlebnis. Seit ich gemerkt habe, wie viel Arbeit hinter bestimmten Lebensmitteln steckt, esse ich sie viel bewusster. Wenn ich zum Beispiel 500 Gramm Nüsslisalat im Supermarkt für zwei Franken sehe, weiss ich, dass das nicht aufgehen kann. Wir wollen dieses Bewusstsein auch in der Schweiz schaffen. Deshalb bieten wir Workshops an und zeigen auf, woher unsere Produkte kommen, wie sie angebaut werden und wie man sie am besten zubereiten kann. Viele der Teilnehmenden bestätigen uns, dass sie das Produkt danach wirklich anders ansehen.

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